Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 78. Sitzung / Seite 178

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Herr Präsident! Meiner Ansicht nach könnten sich Ihre Sorgen durchaus in Grenzen halten, weil ich nicht glaube – und das ist gleichzeitig mein Einwand gegen diese Regelung der Berufsreifeprüfung –, daß sich unter den gegebenen Voraussetzungen der Andrang derer, die eine derartige Berufsreifeprüfung machen wollen, ins Unermeßliche steigern wird. Es wird eine sehr begrenzte Zahl von Jugendlichen sein, die eine Lehre absolviert haben. Ich kann mir eigentlich gar nicht vorstellen, daß man so eine Prüfung während oder neben der Lehre machen kann. Es wird also ein sehr kleiner Kreis von Personen sein, die eine Fachschule absolviert – das ist die zweite Voraussetzung – oder eine Lehre abgeschlossen haben. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: 40 000 werden das sein!) Und dann stellt sich immer noch die Frage, ob diese Personen auch die Anforderungen für die Berufsreifeprüfung erfüllen.

Mein Problem mit dieser Regelung ist nicht nur der Umstand, daß sich diese Berufsreifeprüfung auf einen zu kleinen Kreis von Jugendlichen beschränken wird, sondern auch die Tatsache, daß die Öffnung nur eine unvollkommene ist, daß die Voraussetzungen, mit denen das Berufsschulsystem oder -wesen ausgestattet ist, um die Jugendlichen an die Berufsreife heranzuführen, äußerst bescheiden sind, weil es da zum Teil auch Probleme gibt – an denen sicher noch zu arbeiten ist –, nämlich erstens das gerne hintangestellte Qualifikationsproblem der Berufsschullehrer, das tatsächlich in bezug auf die Berufsreifeprüfung schlagend werden könnte, und zweitens der Umstand, daß die Ausstattung der Berufsschulen wahrscheinlich nicht dazu geeignet sein wird, die Berufsreifeprüfung am Ort der Berufsschulen durchführen zu lassen, sodaß es daher wahrscheinlicher ist, daß Erwachsenenbildungseinrichtungen diese Aufgabe übernehmen werden. (Abg. Schaffenrath: Die leider nicht!)

Frau Ministerin! Ich möchte Ihnen auch die Sorge der Schulen für Berufstätige nicht verhehlen – ich sehe darin ein weiteres Problem –, die natürlich Angst davor haben, daß ihre durchaus gut funktionierenden Ausbildungsprogramme für Heranwachsende und Erwachsene durch diesen Weg zur Berufsreifeprüfung verkürzt werden und eigentlich die Schulen für Berufstätige auf diese Weise mehr oder weniger ausgetrocknet werden. Frau Ministerin, ich hoffe, daß das nicht die Intention dieser Regelung war. Ich sehe nach wie vor den positiven Sinn dieser Regelung, auch wenn ich ihn relativieren und nicht als einen Riesenerfolg bezeichnen möchte.

Es ist ein sinnvoller und wichtiger Schritt, der da gegangen wird, einer, der schon längst überfällig war, weil einfach durch diese Schritte im Ausbildungssystem das, was wir gestern diskutiert haben, nämlich die unzureichenden Möglichkeiten, von der Hauptschule noch in eine allgemeinbildende oder überhaupt in eine höhere Schule zu gelangen, immerhin etwas verbessert wird. Es muß aber auch an den Durchlässigkeiten im Bildungssystem noch mehr gearbeitet werden. Da gibt es unserer Meinung nach nicht viele andere Wege als die Möglichkeit, das Schulsystem anders zu gestalten.

Darüber haben wir gestern diskutiert. Die Debatte über die Frage, was das für eine gemeinsame Schule bedeutet, möchte ich nicht aufrollen; Kollege Höchtl hat schon Platz genommen, um sich zu positionieren. (Zwischenruf des Abg. Mag. Posch. ) Er wird sicher dann später noch seine Munition verschießen. (Abg. Dr. Höchtl: Ich will aber nicht darauf antworten!)

Ich glaube, daß der hier gemachte Anfang sinnvoll ist und auch jenen Wünschen Rechnung trägt, die eigentlich schon seit Jahrzehnten im Raum stehen, die immer wieder von den Lehrlingsgruppen und auch von den Gewerkschaften geäußert werden.

Der zweite Punkt, den ich nur ganz kurz ansprechen möchte, weil ich mir Redezeit für den nächsten Punkt der Tagesordnung aufheben möchte, betrifft das Berufsausbildungsgesetz. Ich halte die vorgeschlagenen Änderungen im Berufsausbildungsgesetz zwar nicht unbedingt für schlecht, kann aber andererseits ihren absoluten Nutzen nicht erkennen. Ich beziehe mich daher eher allgemein auf die Debatte.

Weil Kollegin Schaffenrath von der Überregulierung in der Berufsausbildung gesprochen hat, möchte ich daran erinnern, daß meine Frage nach wie vor im Raum steht. Ich glaube nicht, daß die Überregulierung des österreichischen Berufsausbildungssystems daran schuld ist, daß es


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