Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 80. Sitzung / Seite 61

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Herr Wirtschaftsminister und auch Herr Finanzminister! Sie haben hier die Lage unseres Landes geschildert, der soweit zuzustimmen ist. Nur, Sie haben sehr wenige – und das bedauere ich – Blicke in die Zukunft geworfen, in die Zukunft, die viel schneller kommt, als wir alle glauben. Sie haben nicht unterschieden nach den unterschiedlichen Sektoren unserer Wirtschaft. Ich gebe Ihnen recht: Die Industrie ist wieder mehr denn je das Rückgrat unserer Wirtschaft, sie ist die Primärwertschöpfung. Und was die österreichische Exportindustrie in den letzten zwei, drei Jahren geleistet hat, ist wirklich grandios. Der Strukturwandel in diesem Bereich ist in der ersten Phase abgeschlossen, aber er wird in der zweiten Phase noch mindestens 30 Prozent der dort Beschäftigten freisetzen. Das ist ein Problem, dem wir uns zu stellen haben. Der tertiäre Sektor, der diese Beschäftigten aufnehmen sollte, die vielen Tausenden Klein- und Mittelbetriebe im tertiären Sektor können diese nicht aufnehmen, denn der begrenzende Faktor sind ohne Zweifel in Österreich die Arbeitskosten. Der begrenzende Faktor sind nicht die Bruttolöhne – ich beeile mich, das immer wieder hinzuzufügen –, der begrenzende Faktor sind die Arbeitskosten insgesamt, die wir in Österreich haben; es sind die dritthöchsten in der Europäischen Union.

Es hilft uns die Ausrede nichts, daß alle Länder, deren Arbeitskosten zu den zehnthöchsten in der Welt zählen, alle in Europa liegen. Das ist ja gerade die Eurosklerose. Das heißt jetzt nicht, gleichzeitig dem amerikanischen System das Wort zu reden, sondern das heißt, daß untersucht werden muß, was von den Arbeitskosten über den Produktionsfaktor Arbeit finanziert werden muß und was davon in anderen Bereichen aufgebracht werden kann.

Es ist überhaupt nicht hilfreich, wenn jetzt wieder der Klassenkampf beginnt. Herr Kollege Nürnberger! Das ist sicher nicht von Ihnen, das ist vom ÖGB, PBA Linz-Land/Urfahr: "3. Stauzeitung". (Der Redner zeigt diese Zeitung.) Also so einen klassenkämpferischen Schwachsinn, meine Damen und Herren, habe ich den letzten fünf, sechs Jahren nicht mehr in die Hand bekommen.

Hier steht wörtlich, bitte: Lohnnebenkosten kürzen bedeutet kein Urlaubs- und Weihnachtsgeld mehr, keine Entgeltfortzahlung bei Krankheit, keine Abfertigung, keine Unfallversicherung, keine Arbeitgeberbeiträge zur Kranken-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung, keine Pflegefreistellung, keine bezahlte Freizeit bei Arztbesuch, Geburt, Übersiedlung, Begräbnis, Heirat. – Aber mehr Profit für Unternehmer!

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! So blöd kann man nicht sein. Das ist die Vergangenheit, hier grüßt die Vergangenheit, aber wir unterhalten uns über die Zukunft des Landes. Wir unterhalten uns darüber, wie wir Bruttolöhne sichern können. Wir unterhalten uns darüber, wie wir Arbeit schaffen können. Wir unterhalten uns darüber, wie wir in der Zukunft Menschen in Beschäftigung halten können – und die Antwort des ÖGB darauf ist: Lohnnebenkosten kürzen bedeutet mehr Profit für Unternehmer!

Es ist traurig. Es ist wirklich, wirklich traurig, und, Herr Nürnberger, ich fordere Sie höflich auf, Ihren Freunden und Mitgliedern im ÖGB-Linz zu sagen, daß das, was sie da tun, wirklich atemberaubend ist. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wenn also der sekundäre und auch der quartäre Sektor, Versicherungen, Banken et cetera, bis zu 30 Prozent ihrer Beschäftigten in den nächsten Jahren abbauen, müssen wir heute Antworten darauf finden. Die Antworten finden wir weitgehend in der persönlichen Dienstleistung, in der Deregulierung, die es zuläßt, neue Märkte zu erschließen, und zwar neue Märkte im Inland zu erschließen zur Steigerung der eigenen Lebensqualität.

Ein weiteres Problem ist die mangelnde Flexibilisierung, sind die Reformbehinderer – ich sprach bereits von dieser dritten politischen Welt –, die überholten Schutznormen, die doch letztlich die Arbeitsbesitzenden stärken und die Arbeitslosen der Hoffnungslosigkeit ausliefern. Das heißt natürlich nicht, es soll schutzlose Mitarbeiter geben, das ist ja unerträglich, es geht darum, überholte Schutznormen und falsche gesellschaftspolitische Tabus zu beseitigen.

Wieviel Beschäftigung im Bereich der persönlichen Dienstleistungen wäre zu realistischen Arbeitskosten in Österreich möglich, wenn man sie nur zulassen würde?


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