Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 80. Sitzung / Seite 62

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Ich prognostiziere Ihnen eines, meine Damen und Herren, zur wirtschaftlichen Lage: Wir werden im kommenden Winter – und es schmerzt mich, das zu sagen – weit mehr als 300 000 Arbeitslose haben, und es wird eine große Diskussion losgehen, und es wird vielleicht eine Dringliche Anfrage dazu geben, aber dann ist alles wieder zu spät. Ich habe in Ihren Berichten, die die Lage geschildert haben, die Zukunftsperspektive vermißt, damit dieses Szenario von weit über 300 000 Arbeitslosen im kommenden Winter nicht Realität wird.

Eines muß uns klar sein, und das ist vor allem an den Herrn Finanzminister gerichtet: Die Budgetspielräume sind ausgeschöpft. Er hat es uns in seiner Rede ja auch selbst wissen lassen. Mit 1 800 Milliarden Schilling Staatsverschuldung und 100 Milliarden Schilling Zinsen im Jahr gibt es keine Spielräume mehr. Also wo liegt denn noch die Kraft in diesem Land? Die Kraft liegt in der Öffnung des Landes zu seinen Märkten, zu seinen Kunden, um damit Wertschöpfung ins Land zu ziehen und Beschäftigung zu schaffen. Diesbezüglich habe ich zuwenig in den beiden Berichten gehört, ich bedauere das.

Das Leistungsbilanzdefizit, Herr Wirtschaftsminister, haben Sie nicht angeschnitten. Es ist nicht so einfach, zu sagen, wir tauschen den Schilling gegen den Euro, und das Leistungsbilanzdefizit interessiert uns nicht mehr. Das wissen Sie als Ökonom sehr gut, daß das dann letztlich die regionale Wirtschaftskraft unseres Landes mißt und daß es sehr bald einen Effekt auf das Zinsniveau in Österreich haben wird, wenn wir dieses chronische Leistungsbilanzdefizit nicht eindämmen. Momentan wächst es noch mehr, als es uns lieb ist.

Auch bei der Steuer- und Abgabenquote hat der Finanzminister jeden Spielraum verloren. Es wurde nicht gesagt: Wir haben heute die höchste Steuer- und Abgabenquote in Österreich, die wir jemals in diesem Land hatten. Das bringt nicht ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Heindl. ) Es sind 45 Prozent, Herr Dr. Heindl, so hoch war die Abgabenquote noch nie. Unser bisheriger Rekord waren 43 Prozent. Sie dürfen nicht die Zahlen von 1995 hernehmen, sondern die von 1997 mit den Auswirkungen aller Sparpakete, die bereits beschlossen wurden.

Was mich noch betroffen macht, ist, daß wir bei allen Erfolgen, die wir in der Industrie zu verzeichnen haben, in zunehmendem Maß einen Frust bei kleinen und mittleren Unternehmen feststellen müssen. Diese "Stauzeitung" wird diesen Frust nicht unbedingt mindern, sie wird ihn eher noch erhöhen. Sie brauchen die kleinen und mittleren Unternehmer, denn Sie haben zuwenig Selbständige in diesem Land. Überlegen Sie doch einmal, warum Sie so wenige Selbständige haben! Welche Politik haben Sie zehn Jahre lang gemacht? Haben Sie wirklich die Selbständigkeit gefördert, oder haben Sie die Unselbständigkeit im Auge gehabt? Haben Sie vergessen, daß wir die Unternehmer brauchen, um Arbeitsplätze bereitstellen zu können?

Die entsprechende Politik ist aber ausgeblieben. Ich erfahre immer mehr in Gesprächen mit Unternehmerinnen und Unternehmern, daß sie eigentlich die Nase voll haben, daß sie statt 12 Mitarbeiter nur mehr sechs beschäftigen wollen, weil sie sagen, die Kosten für einen zusätzlichen Meister, die Kosten für eine zusätzliche Partie, die ich einstelle, lassen sich nicht mehr hereinbringen.

Haben Sie sich überlegt, was es für jemanden heißt, ob er als Unselbständiger eine Million Schilling, vielleicht von der Großmutter geerbt, vielleicht hat er sie gespart, auf die Bank legt und sich 5 Prozent Zinsen minus 25 Prozent KESt holt oder ob er den unerhörten Wahnsinn besitzt, es in ein Unternehmen zu stecken, wo der Ertrag mit der Mindest-KöSt belastet wird und er darüber hinaus zumindest 50 Prozent Einkommensteuer zahlt?

Ja, meine Damen und Herren, haben Sie sich diese Gesetze überlegt? Sie haben nur 6,4 Prozent Selbständige in Österreich. Das ist der Auswuchs Ihrer Politik! Ändern Sie diese Politik! Es gibt tüchtige junge Leute in Österreich. Es gibt Frauen und Männer, die selbständig werden wollen, aber nicht unter den Rahmenbedingungen, vor allem im Bereich der Klein- und Mittelbetriebe, die Sie ihnen anbieten. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Die Pleiten werden untersucht. Die Pleiten werden analysiert. Wir werden in den nächsten Tagen ein Insolvenzrechtsänderungsgesetz beschließen, das in weiten Bereichen eine Verbesserung bringen wird. Aber, Herr Wirtschaftsminister, ich kann Ihnen nicht zustimmen – Branche


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