Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 80. Sitzung / Seite 70

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Herr Minister! Hier haben Sie ja etwas versucht, das möchte ich gar nicht abstreiten, und zwar zum Beispiel im Rahmen der sogenannten Liberalisierung der Gewerbeordnung. Aber ich betone schon: sogenannten. Wenn Sie einen boshaften Artikel dazu lesen wollen, dann schauen Sie in das letzte "Industriemagazin". Das ist kein grünes Blatt oder so etwas Ähnliches, auch nicht FPÖ-nahe, glaube ich. Im "österreichischen Industriemagazin" vom Juli/August 1997 gibt es einen Meinungsleitartikel mit der Überschrift "Kammer nix machen". Das ist ein zynischer Kommentar zu den Erfolglosigkeiten der letzten Gewerbeordnung.

"Damenkleidermacher dürfen etwa seit 1. Juli nebst femininer Mode auch Herrenhemden, ja sogar Wäschewaren erzeugen ... Ebenso ist es Gärtnern gestattet, auf völlig legalem Wege nicht nur Topfpflanzen, sondern auch Blumensträuße zu verkaufen."

Ich meine, das ist schon okay, aber das ist nicht die Liberalisierung der Gewerbeordnung (Abg. Dr. Schmidt: Das sind die Größenordnungen der Reformen!), die wir uns erhofft haben, sondern es ist natürlich nach wie vor so, daß wir zwar die Grenzen geöffnet haben – Stichwort Globalisierung, Internationalisierung, EU-Beitritt, Ostöffnung und all das, da ist wirklich viel über Österreich hereingebrochen, unerwartet und erwartet –, also nach außen hin die Grenzen geöffnet haben, aber im Inneren gibt es nach wie vor zahllose Markteintrittsbarrieren für hoffnungsvolle junge Leute, die sich selbständig machen wollen und hier an die Grenzen der Gewerbeordnung, aber nicht nur an diese, sondern natürlich auch an die Grenzen des Kapitalmarktes stoßen.

Herr Minister Farnleitner! Diese zwei Fonds, die Sie erwähnt haben, bezüglich Venture-Capital mit je 500 Millionen – ich glaube, so war das – sind in Ordnung, aber es wird nicht reichen. Ich habe mich über amerikanische Venture-capital-Fonds und sogenannte Venture-Kapitalisten informiert. Da geht es um weit mehr, als 500 Millionen oder 1 Milliarde zur Verfügung zu stellen – jetzt abgesehen einmal von den Größenordnungen –, sondern das ist eine ganz eigene Kultur, die es in Österreich nicht gibt, dieser Venture-Kapitalismus. Also viel Vergnügen! Das, was Sie hier vorhaben, wird noch nicht reichen. Da ist noch viel mehr zu tun.

Es gibt zumindest drei Bereiche, die in diesen Reden "conspicuously absent" waren, wie die Engländer sagen würden, also durch Verschweigen aufgefallen sind. Das eine hat Kollege Peter, glaube ich, schon erwähnt. Kein Wort über die Leistungsbilanz? Kein Problem mehr? Nur weil der Euro kommt? – Hoffentlich kommt er, aber das Problem verschwindet deswegen nicht.

Zweitens: Es mag sein, Herr Minister Edlinger, daß wir das beste Pensionssystem der Welt haben, wir haben mit Sicherheit das teuerste. Ich bin dagegen, das im Rahmen eines Budgetthemas zu besprechen, das ist eine langfristige Angelegenheit, und das andere ist eine eher kurzfristige Angelegenheit. Aber im Rahmen einer Wirtschaftsdebatte ist doch dieses Thema, das in den nächsten 20 Jahren, 30 Jahren eine riesige Rolle spielen wird, vielleicht doch mehr wert als nur die Aussage: Das ist das beste System, und das müssen wir erhalten!

Zu Herrn Minister Farnleitner: Ich habe es sehr bedauert, daß Sie eine für mich wichtige Quelle für wirtschaftliche Standortfragen, für Fragen zum Standort Österreich nicht herangezogen, aber jedenfalls nicht behandelt haben. Es gibt ein dickes Buch, herausgegeben vom Wirtschaftsministerium, über Standortfragen Österreichs. Das ist, glaube ich, letztes Jahr erschienen.

In diesem dicken Buch, das mir sehr gut gefällt und von einem Ihrer Sektionschefs herausgegeben wurde – es ist kein Zufall, daß es mir gut gefällt –, ist viel die Rede von Öko-Steuerreformen und von der Entlastung der Lohnnebenkosten beziehungsweise deren Finanzierung durch Öko-Steuerreformen. Dort ist ziemlich viel die Rede davon, daß Umweltschutz auch als positive Standortvoraussetzung interpretiert werden muß, nicht nur kann. Dort ist viel die Rede von der langfristigen Bedeutung des Sustainable development, also eines nachhaltigen Wirtschaftens, und natürlich auch von der Arbeitsplatzbedeutung von Öko-Industrien. Und es war ja niemand anderer als das Wirtschaftsministerium, das vor eineinhalb oder zwei Jahren beim Wifo ein großes Gutachten genau über diese Fragen bestellt hat, und das ist auch längst fertig. Alle diese Schnittpunkte zwischen Ökologie und Ökonomie haben bemerkenswert wenig Spuren in der Rede hinterlassen, was ich sehr bedauere.


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