Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 80. Sitzung / Seite 81

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Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Niemand will schwarzmalen, aber die ehrliche Sicht der Dinge ist ein Gebot der Stunde. Daher ist es interessant, einen Satz aus Ihrem Vortrag herauszugreifen – nicht, um ihn aus dem Zusammenhang zu reißen, sondern um ihn zu hinterfragen.

Herr Wirtschaftsminister! Sie haben gesagt: Die wirtschaftspolitischen Bemühungen der letzten Jahre haben Österreichs Unternehmen Rahmenbedingungen geschaffen, wie sie von Unternehmen und Interessenverbänden über Jahrzehnte gefordert wurden. – Ende des Zitats. Dann haben sie einiges aufgezählt.

Diesbezüglich gibt es einiges zu hinterfragen, und es geht vor allem darum, Sie nicht unter der Käseglocke des geschützten Bereiches verschwinden zu lassen, nach dem Motto: "Was dort draußen passiert, das interessiert uns eigentlich wenig!" oder "Wir verdrängen die Sorgen und Nöte der Unternehmer, der Wirtschaft und Arbeitnehmer!"

Faktum ist, Herr Bundesminister, daß Sie – wie auch der Finanzminister – Ihrer Verpflichtung nur am Rande nachgekommen sind. Als Beispiele nenne ich nur die Bürokratie und die hohen Lohnnebenkosten. Was haben Sie getan, um diese drängenden Sorgen hintanzuhalten? – Ich erinnere Sie an die Lehrlinge. Ich werde nicht müde werden, diesen Parade-Sündenfall der Koalition zur Sprache zu bringen: die Kommunalabgabe auf die Lehrlingsentschädigungen. Das war ein Sündenfall, und Sie sind nicht bereit, diesen Fehler zuzugeben, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Damit kommen wir auf die Aussagen des Wirtschaftskammerpräsidenten Leo Maderthaner zu sprechen. Er hat gemeint, das Lehrlingsproblem dadurch lösen zu können, daß die Bezahlung der Berufsschulzeit für den Lehrling an das Arbeitsmarktservice delegiert wird. Mit einer solchen Vorgangsweise werden wir nie und nimmer einverstanden sein. Denn das ist ein Ruf nach mehr Staat, nach mehr Bürokratie, nach neuen Fonds. Wir wissen aber, daß ein Schilling, den wir über einen Fonds ausbezahlt bekommen, drei Schilling in der Verwaltung kostet, meine Damen und Herren! (Abg. Ing. Maderthaner: Sie reden wie in der Kammer!)

Ich wundere mich, daß Sie diesen Vorschlag gemacht haben, Kollege Maderthaner! (Abg. Ing. Maderthaner: Sie haben nicht zugehört! Das klingt wie in der Kammer!) – Richtig, in der Kammer habe ich das auch so gesagt. Ich rede nämlich draußen genauso wie hier, das unterscheidet mich von Ihnen, Herr Präsident Maderthaner! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich trete gern den Beweis dafür an. Wir sagen: Gebt den Betrieben das Geld, das sie brauchen, um ihren Bedürfnissen nachkommen zu können! Das gilt für die Steuerpolitik und so weiter. Wir sagen auch: Versichert die Lehrlinge bei den Erziehungsberechtigten! Das würde Entlastungen bringen und eine Gleichstellung mit Schülern und Studenten bedeuten. Gleiches Recht für alle! – Dieser Vorschlag erfordert wenig Bürokratie, wenig Verwaltungsaufwand, und es wird nicht wieder der Staat eingeschaltet, um ein zweifelsohne vorhandenes Problem zu lösen. (Zwischenruf der Abg. Steibl. )

Sie aber sprechen auf zweierlei Art, je nachdem, ob Sie hier im Hause sprechen oder draußen. Es gibt den nicht unbekannten Herrn Reinhold Mitterlehner, Generalsekretär des Wirtschaftsbundes und Parteifreund des Herrn Farnleitner. Sein Chef, Maderthaner, sitzt hier. Herr Mitterlehner sagt in der neuesten Ausgabe des "WirtschaftsBlattes": Der Wirtschaft reicht’s. Proteste gegen die Bürokraten sind fällig. Immer mehr Unternehmer sind es leid, noch mehr für den Staat zu arbeiten. Sie wollen dem Staat ein Schnippchen schlagen, indem sie Beamtenpost ungeöffnet retournieren oder den Rollbalken stundenweise herunterlassen. – Also eine Art Generalstreikdrohung, meine Damen und Herren!

Dieser Wirtschaftsvertreter ist ein Sprachrohr desselben Maderthaner, der heute eine Lobeshymne auf die derzeitigen Zustände gesungen hat! Man geht sogar so weit, gegen den Arbeitnehmerschutz zu klagen: "Die Kammer stützt eine Klage vor den Höchstgerichten"! Hier im Parlament stimmt Maderthaner zu, aber draußen schickt er Unternehmer, die ihre eigenen Interessen zu vertreten haben, vor das Höchstgericht und sagt: Wir werden euch den Rechtsanwalt finanzieren, damit ihr klagen könnt!


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