Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 80. Sitzung / Seite 85

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Es war der Präsident der Tiroler Industriellenvereinigung Thöni, der erst kürzlich in den Medien festgestellt hat, daß die Arbeitskosten in der Industrie bereits bei über 50 Prozent liegen und im EU-Schnitt um immerhin 16 Prozent niedriger sind.

Der Herr Minister hat in seinem Bericht sehr stolz auf 700 neue Arbeitsplätze für das erste Halbjahr verwiesen. Ich darf dem entgegenhalten, daß allein in Tirol derzeit 600 Arbeitsplätze akut in Gefahr sind – die Insolvenzrate steigt österreichweit um 5,4 Prozent, während sie in Tirol deutlich höher steigt, nämlich auf ungefähr 34 Prozent – und es einen massiven Anstieg der Zahl von Konkursanträgen gibt, die noch dazu mangels Masse abgelehnt werden müssen. Es ist mir selbstverständlich klar, daß Tirol gerade aufgrund seiner Tourismussituation einen wesentlichen Anteil daran hat. Auch in Ihrem Bericht wurde ja auf die Situation des Tourismus verwiesen. In diesem Hause wird die Situation laufend beschönigt, und der Tourismuswirtschaft werden all jene Rahmenbedingungen konsequent verweigert, die mein Kollege Peter hier von dieser Stelle aus schon vielfach gefordert hat.

Sehr geehrter Herr Minister Farnleitner! Sie haben den guten Ausbildungsstand der österreichischen Facharbeiter und Facharbeiterinnen angesprochen und diesen als derzeitigen Wettbewerbsvorteil bezeichnet, daher muß ich Sie fragen: Wie lange eigentlich noch? – Das duale Ausbildungssystem, ein an und für sich gutes Ausbildungssystem, ist nicht mehr erfolgreich. Sie schreiben: Die krisenhaften Entwicklungen im Lehrlingswesen sind zurzeit unübersehbar. Ich sage Ihnen: Diese Entwicklung war seit Jahren vorhersehbar, aber die Verantwortlichen haben leider Augen und Ohren verschlossen und der kommenden Dinge untätig geharrt. Es sind zwar mit dem Berufsausbildungsgesetz und dem Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetz neue Regelungen in Kraft getreten, Besserungen aber sind nicht zu erwarten, sogar das Gegenteil ist zu befürchten.

Herr Minister! Ich nehme nicht an, daß Sie Ihre Verbindungen zur Wirtschaftskammer zur Gänze abgebrochen haben, weshalb Sie eigentlich wissen müßten, daß zum Beispiel in Tirol die Innung der Bäcker die Ausbildung der Lehrlinge massiv einschränken wird und im Handel aufgrund der Bestimmungen des Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetzes bereits Tausende Ausbildungsplätze in Gefahr sind.

Auch wenn Sie noch deutliche Hinweise erkennen mögen, daß es in Österreich starke Bemühungen gebe, das lebenslange Lernen zu verstärken, sage ich Ihnen, daß das lebensbegleitende Lernen noch nicht einmal Einzug ins österreichische Bildungssystem gehalten hat. Ich frage Sie: Welche Maßnahmen gibt es zum Beispiel in der Erstausbildung? Welche Maßnahmen gibt es, um das lebensbegleitende Lernen als tragende Säule im Bildungssystem zu verankern?

Ich glaube nicht, daß es ausreichen wird, daß Sie voll Stolz auf die Bildungseinrichtungen der Sozialpartner verweisen, solange sie nicht miteinander kooperieren, sie sich nicht miteinander und mit anderen Bildungseinrichtungen, genauso wie mit öffentlichen Schulen, vernetzen und sich nicht auf regionale Erfordernisse abstimmen. Ich halte es für eine Verschwendung von Ressourcen, wenn von den Wifis und Bfis Investitionen, und zwar gleichartige Investitionen, in Millionenhöhe propagiert werden, wenn solche Voraussetzungen im öffentlichen System, in den Schulen bereits gegeben sind.

Natürlich fehlt es auch an den notwendigen Mitteln, um im Bildungsbereich endlich die notwendigen Strukturmaßnahmen setzen zu können. In letzter Konsequenz werden diese Mittel bedauerlicherweise von den Gewerkschaften, um ihre Privilegien aufrechtzuerhalten, blockiert, weshalb wir jene Reformen, die notwendig wären, um auf die Problembereiche des raschen gesellschaftlichen Wandels und der Technologisierung Antworten zu finden, nicht durchführen können.

Auf Seite 13 seines schriftlichen Berichtes verweist der Herr Finanzminister – damit möchte ich schon zum Schluß kommen – darauf, daß wir das beste Pensionssystem der Welt hätten. Für mich ergeben sich in diesem Zusammenhang einige Fragen: Was ist denn so gut an einem Pensionssystem, das unterschiedliche Klassen von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen


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