Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 81. Sitzung / Seite 38

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fahrensordnung nicht gab, lagen nicht bei der Opposition. Es gab darüber Debatten zu Beginn der neunziger Jahre; eine diesbezügliche Beschlußfassung scheiterte an keiner der drei parlamentarischen Oppositionsparteien – sie scheiterte an der Österreichischen Volkspartei.

Nun kann und darf es nicht so sein, daß der Mangel einer parlamentarischen Verfahrensordnung für Untersuchungsausschüsse zu einer Verweigerung der Kontrolle an sich führt. Es kann nicht so sein, daß mit dem Hinweis auf Verfahrensnormen ein wichtiges, das härteste und schärfste parlamentarische Kontrollrecht überhaupt zum toten Recht wird. Daß es ein Aufklärungsinteresse der Bevölkerung, der Medien, der gesamten Öffentlichkeit an Vorfällen wie den politischen Verflechtungen im Zusammenhang mit den Kurdenmorden gibt, das wird wohl niemand in diesem Hohen Haus bestreiten.

Daß nun sehr ernsthaft über die Verfahrensordnung gesprochen wurde, daß jetzt ein Entwurf vorliegt, der eingebracht wurde und über welchen heute diese erste Lesung stattfindet, werte ich als einen klaren Erfolg und Fortschritt, ausgelöst durch den Ausschußboykott, ausgelöst durch einen sehr sachlichen und auch in der Öffentlichkeit wohlverstandenen Aufschrei der Oppositionsparteien.

Die Entwicklungen seither geben uns recht. Alles, was seither an Schriftstücken von Regierungsseite gekommen ist, insbesondere vom Außenministerium, kann nicht an Stelle einer parlamentarischen Untersuchung stehen. Alles, was bisher von der Regierung vorgelegt und mündlich hier in diesem Hohen Haus vorgetragen wurde, geht an der zentralen politischen Frage vorbei, warum es angesichts eines sehr wahrscheinlichen, beinahe sicheren Staatsterrors in dieser Angelegenheit den Kniefall der Republik Österreich vor dem Iran gab.

Da sind Morde passiert, und es wurde nicht alles darangesetzt, die Hintergründe dieser Morde, die Mittelsmänner, die Organisation, das logistische Geflecht, das dahinterstand, ans Tageslicht zu bringen und lückenlose Aufklärung zu bieten, sondern man hat die Täter laufen lassen. – Mehr noch: Man hat sie zum Flughafen eskortiert, man hat ihr Entweichen sehr leicht gemacht. Bis zum heutigen Tage ist die Frage, warum das passiert ist, unbeantwortet geblieben. Jene Antworten, wie sie auch von seiten der Regierung hier in diesem Haus zu hören waren – es seien peinliche Fehler gewesen, Schlampereien, Mißverständnisse –, sind zutiefst unglaubwürdig, beziehungsweise haben sie sich mittlerweile auch eindeutig als falsch erwiesen.

Nur in diesem Haus kann die Frage geklärt werden, ob es berechtigterweise oder zumindest in einer diskussionswürdigen Weise damals einen Fall von Staatsnotstand gab. Ich denke, es gibt wohl kaum jemanden – auch in den Oppositionsparteien –, der nicht in bestimmten Fällen das Zurückweichen des Staates und seiner obersten Organe angesichts terroristischer Akte zwar nicht rechtfertigen, wohl aber in irgendeiner Weise verstehen würde. Ja, es kann Umstände geben, unter denen ein Nachgeben, ein Einlenken vielleicht die geeignete Vorgangsweise ist, um noch mehr Leid, noch mehr Blutvergießen und schweres Unheil zumindest zunächst zu verhindern. Daß derartiges immer gefährlich, bedenklich und für einen Rechtsstaat sehr problematisch ist, ist klar.

Deswegen geht es um die politische Aufklärung. Das ist keine Frage der Strafgerichte, das ist keine Frage, die irgendwo sonst mit Aktenvermerken, mit Schriftverkehr der Behörden geklärt werden kann. Es geht nicht um bürokratische Veranlassungen bei der Bewachung der Botschaft oder ähnliches, es geht um die zentrale politische Frage: Unter welchen Umständen kann und darf der Staat in Fällen von Terror einlenken, nicht mit der vollen Härte des Gesetzes vorgehen? Diese Umstände müssen geklärt werden. Die bloße Angst vor Auftragseinbußen oder gar die Angst, daß vielleicht irgendwelche dubiosen Geschäfte ans Tageslicht kommen, rechtfertigt keinesfalls den Kniefall.

Diese zentrale Frage: War es die berechtigte Angst, die Sorge um das Leben von Österreicherinnen und Österreichern im Iran, war es die berechtigte Sorge vor weiteren Terrorakten, oder war es die illegitime Angst, daß vielleicht dubiose Geschäfte, vielleicht Waffengeschäfte, aufgedeckt werden könnten? kann ausschließlich im Rahmen einer parlamentarischen Untersuchung geklärt werden. (Beifall bei den Grünen und der Abg. Dr. Schmidt. )


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