Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 81. Sitzung / Seite 59

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Ich glaube, daß es immer ganz wichtig war – ich bin auch aus persönlicher Betroffenheit schon fast mehr als 25 Jahre in der Behindertenbewegung aktiv tätig – und auch in Zukunft immer ganz wichtig sein wird, Angelegenheiten behinderter Menschen überparteilich zu behandeln und nicht für Parteipolitik zu mißbrauchen.

Ich halte es daher für sehr erfreulich, daß mit dieser Verfassungsbestimmung, die wir heute beschließen, auch verfassungsmäßig festgehalten ist, daß es keine Diskriminierung behinderter Menschen in den Bereichen des täglichen Lebens geben darf. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Es ist wichtig, daß Antidiskriminierung nun ein Recht, ein verfassungsmäßig verankertes Recht ist und nicht ein Almosen oder ein Goodwill verschiedener Bevölkerungsgruppen beziehungsweise Gesellschaftsschichten.

Das Gesetz ist die eine Seite, meine Damen und Herren, und das Bewußtsein die andere Seite. Wenn wir von der Notwendigkeit bewußtseinsbildender Maßnahmen gesprochen haben, dann kam auch immer wieder das Gesetz mit ins Spiel und die Tatsache, daß das eben nicht genug sei, um Bewußtsein zu bilden.

Es ist aber nicht genug, meine Damen und Herren, Gesetze zu machen, sondern es ist ganz wesentlich, daß diese Gesetze auch in die Tat umgesetzt werden, daß sie nicht nur auf dem Papier stehen, sondern daß sie auch Eingang finden in das Bewußtsein, in die Köpfe und in die Herzen der Menschen und letztendlich auch in ganz konkrete Maßnahmen münden, die gesetzt werden müssen, um behinderten Menschen, Menschen mit besonderen Bedürfnissen auch ein Leben in unserer Gesellschaft, ein barrierefreies Leben – barrierefrei von physischen und psychischen Behinderungen – gewährleisten zu können. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Österreichische Volkspartei hat deshalb im November 1996 einen eigenen Antrag eingebracht, weil uns die Anträge, die Teile der anderen Fraktionen gestellt haben, nicht weitgehend genug waren. Ich bin sehr froh, daß am Ende dieser Beratungen und nach einigen Hindernissen auf dem Weg dorthin dieser Antrag die Mehrheit und im Ausschuß die Einstimmigkeit gefunden hat, weil er der weitestgehende Antrag war. Er enthält nämlich auch eine Staatszielbestimmung, die Bund, Länder und Gemeinden verpflichtet, diese Antidiskriminierung in ihrer Arbeit zu berücksichtigen.

Meine Damen und Herren! An dieser Stelle gilt vor allem der Dank und die Anerkennung der Behindertenbewegung, den verschiedensten Gruppen und Vereinen, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten an dieser Bestimmung gearbeitet haben, die wesentlich zur Bewußtseinsbildung beigetragen haben, die handfeste politische Arbeit und Lobbying auch bei den Parteien dieses Hauses erfolgreich betrieben haben.

In diesem Zusammenhang war vor allem die Gruppe "Selbstbestimmt leben" aktiv, die sich mit dieser Idee an alle Fraktionen des Hauses gewandt hat. Ich bin sehr froh, daß damit auch für mich ein persönliches Ziel erreicht werden konnte, denn in Auseinandersetzung mit dieser Gruppe "Selbstbestimmt leben" und mit den verschiedenen Behindertengruppen habe ich schon im Jahre 1994 im August die Forderung erhoben, eine Antidiskriminierungsklausel in die Verfassung aufzunehmen.

Ich habe damals auch gefordert, ein temporäres Staatssekretariat für Behindertenfragen einzurichten. Ich weiß, daß das in Zeiten wie diesen, in denen vom Sparen und von kleineren Regierungen geredet wird, nicht immer eine populäre Entscheidung ist, aber ich glaube, wir sollten uns trotzdem überlegen, inwieweit eine derartige Funktion eine starke bewußtseinsbildende, aber auch entsprechend wirksame Maßnahme sein könnte, als Querschnittsmaterie in allen Ministerien darauf hinzuwirken, daß Anliegen behinderter Menschen berücksichtigt werden.

Ich habe das in meiner Zeit als Familienministerin sehr intensiv getan, und es ist uns damals, Gott sei Dank, auch einiges an konkreten Maßnahmen gelungen. Wir haben zum Beispiel im Umwelt-, Jugend- und Familienministerium innerhalb eines halben Jahres 17 Behinderte auf Behindertenplanstellen eingestellt und sie auch integriert und viele andere Maßnahmen eingeleitet. Aber es hat sich dann gezeigt, daß meine Bemühungen, dies auch in den anderen Ministerien zu machen, zwar aufgenommen, aber nicht wirklich weiterverfolgt wurden. Es wäre daher durchaus eine Idee und eine Anregung, mit einer derartigen Funktion, eventuell mit einem


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