Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 84. Sitzung / Seite 77

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Was war die Reaktion der Ukraine? – Die Ukraine drohte damit, Tschernobyl weiterhin arbeiten zu lassen und damit nicht nur sich selbst zu gefährden, sondern selbstverständlich auch alle umgebenden Länder.

Wir haben das ja erlebt. Österreich war einer der Hauptbetroffenen von diesem radioaktiven Fallout. Und was macht man jetzt? – Jetzt akzeptiert man das offensichtlich, ja muß es akzeptieren, weil von seiten der Ukraine Druck ausgeübt wird, zwei Atomkraftwerke zu bewilligen beziehungsweise mitzufinanzieren – Rovno und Chmelnitsky –, die demselben Typ entsprechen wie das Atomkraftwerk 50 Kilometer von Wien entfernt, das wir versuchen zu verhindern, nämlich Mochovce. Und das Interessante ist: Bei Mochovce sind wir alle dagegen, es wurden massive Anstrengungen unternommen, um den Fluß der Gelder, die für die Errichtung zur Verfügung gestellt werden sollten, zu verhindern. Jetzt bei der Ukraine schaut das ganz anders aus!

Ich habe 1996 vom damaligen Bundeskanzler Vranitzky einen diesbezüglichen Brief erhalten, weil ich mich schon damals damit befaßt habe. Am 30. April 1996 habe ich ihn gebeten, in der EBRD dafür einzutreten, daß diese Mittel nicht freigegeben werden. Der Herr Bundeskanzler hat gesagt, er wird sich kundig machen. Er hat mir am 4. Juni 1996, also vor über einem Jahr, geantwortet, daß die österreichischen Vertreter in dieser Institution angehalten sind, die Prinzipien der österreichischen Politik betreffend Nuklearkraftwerke mit Nachdruck zu vertreten. Dies bedeute, daß Finanzierungen zur Stillegung oder Konvertierung von Atomkraftwerken beziehungsweise im Bau befindlicher Anlagen befürwortet, der Bau, Ausbau solcher Werke oder die Finanzierung von Maßnahmen zur Verlängerung ihrer Lebensdauer jedoch abgelehnt würden. – Es gab also von Herrn Bundeskanzler Vranitzky 1996 eine klare Reaktion.

Mein Bestreben war, daß wir den Ukrainern die Rute ins Fenster stellen und sagen: Wenn ihr ein Partnerschaftsabkommen wollt, wenn wir mit europäischem Geld Projekte finanzieren sollen, dann müßt ihr beachten, daß unsere Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit in bezug auf Energiepolitik beachtet werden. Aber wider Erwarten wurde auch nach längeren Diskussionen innerhalb der Koalitionsparteien kein Weg gefunden, diese wirklich mildeste Form des Protestes, den ein Parlament artikulieren kann, auszudrücken. Ich würde mir wünschen, es könnten mehr europäische Parlamente eine solche Vorgangsweise wählen, aber auch in Österreich wurde dieser milde Protest unmöglich gemacht.

Das ist auch der einzige Grund, warum ich gegen dieses Abkommen bin und warum ich es schlußendlich ablehnen werde: nicht, weil ich gegen das Prinzip eines Abkommens bin, nicht, weil ich gegen den Inhalt bin, sondern weil ich mich nicht erpressen lassen möchte, weil ich nicht will, daß Atomkraftwerke dort hingestellt werden, wo sie uns alle gefährden, und daß die Aufbereitung von Atomenergie verlängert wird, damit auch die übernächste Generation noch mit den Konsequenzen zu leben hat. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

11.53

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schieder. – Bitte.

11.53

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Auch ich glaube, daß die Debatte über diese Punkte und deren Zusammenfassung uns Gelegenheit gibt, quasi an exemplarischen Fällen generelle Linien der Außenpolitik zu behandeln. Ein solcher Fall ist in diesem Zusammenhang sicherlich die Frage Amerika: Wie verhält man sich gegenüber einer Supermacht, und wie hat sich eine Supermacht zu verhalten?

Ich stehe nicht an, zu sagen, daß ich in diesem Zusammenhang manchem, was Kollege Stadler gesagt hat, durchaus beipflichte. Denn auch ich glaube nicht, daß es so sein kann, daß der Starke oder der Superstarke sagt, er allein ist der Mächtigste. Gerade wenn einer so stark ist, hat er darauf zu achten, daß dies von einem System persönlicher Stärke auf eine starke Herrschaft des Rechtes im internationalen Bereich übergeht. (Beifall bei der SPÖ.)


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