Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 85. Sitzung / Seite 112

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Die österreichische Politik ist in hohem Maße gefordert. Der maßvolle Umgang mit der Gentechnik ist gefragt. Wir haben es hier mit einer extrem großen Bandbreite zu tun. Ich denke dabei etwa an Gesundheitsfragen wie Insulin, Impfstoffe, pränatale Diagnostik et cetera. Gentechnik an sich kann weder positiv noch negativ beurteilt werden. Jede Anwendung – ich würde sogar behaupten: jeder Einzelfall – ist für sich gewissenhaft zu prüfen. – So viel zur konsequenten Haltung, die immer wieder verlangt wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Es wurde bereits erwähnt, daß sich am 30. September der Sonderausschuß, der sich mit dem Gentechnik-Volksbegehren auseinandersetzt, konstituieren wird. Wir haben dabei eine sehr große Verantwortung. Die drei hauptsächlichen Forderungen wurden vom Kollegen Anschober bereits erwähnt. Zwei davon, würde ich sagen, sind so nicht erfüllbar. Was das Patent auf Leben anlangt, wird sich der Hauptausschuß noch mit der Patentrichtlinie auseinanderzusetzen haben. Wir werden dem zuständigen Minister mitteilen, was er in der EU in unserem Sinne letztlich zu vertreten hat.

Meine Damen und Herren! Ich kann es mir nicht ganz verkneifen: Ich habe gestern abend – was ich, wie ich gerne zugebe, selten und nur, wenn ich keinen anderen Lesestoff habe, tue – die "Kronen Zeitung" zur Hand genommen. (Abg. Mag. Peter: Na geh! Der Herr Staberl ist ja ganz nett!)

Herr Staberl war "entzückend", gerade gestern, Herr Kollege Peter! – Erinnern Sie sich noch, wie vor dem Gentechnik-Volksbegehren für alle Forderungen und ein lückenloses Verbot Stimmung gemacht wurde? – Gestern erzählt Herr Staberl ganz nett vom "tapferen Schneiderlein", leitet dann über – ich zitiere wörtlich – auf die "tapfere Schneiderin Barbara", schimpft darauf, daß sie eine Klagsabsicht kundtut, und sagt, sie sollte doch bitte etwas mehr auf Kennzeichnung setzen. – Ich habe geglaubt, mich tritt ein Pferd, das muß ich Ihnen ehrlich sagen. (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. )

Meine Damen und Herren! Kritiklose Fortschrittsgläubigkeit ist ebenso falsch, wie alles verhindern zu wollen. Hätten wir in der Vergangenheit alles verhindert, müßten wir wohl noch mit Pferdekutschen fahren und hätten weder Eisenbahn noch Auto.

Es wird aber immer wieder eine Palette von Widersprüchlichkeiten aufgezeigt. Ich möchte auf die Widersprüchlichkeiten eingehen, die gestern auf der Wissenschaftsseite der "Salzburger Nachrichten" – drei Artikel auf einer Seite! – zu lesen waren.

Einer der Artikel lautete: Ablehnung der Gentechnik, Wissenschafter warnen vor teuren Folgen. – Der nächste Artikel: Fortschritte im Kampf gegen Krebs, Gentherapie gewinnt an Boden, Vorsorgeuntersuchungen unumgänglich notwendig. – Der dritte Artikel – und da sind wir eigentlich wieder bei dem Anwendungsgebiet im Lebensmittelbereich –: Fettere Milch mit Gensoja, Ursache unklar, Versuch der US-Firma Monsanto. – Das, meine Damen und Herren, beweist das ganze Dilemma und bestätigt die Richtigkeit von Entscheidungen in jedem Einzelfall: BT-Mais, Suchen von Verbündeten in anderen Ländern.

Die Frau Bundesministerin hat sowohl auf das Moratorium als auch darauf hingewiesen, daß man sich eventuell klagen lassen würde oder daß sie klagen würde. Aber sie hat – aufbauend auf der soliden Basis der Arbeit ihrer Vorgängerinnen – auch andere Schritte gesetzt und einen Maßnahmenkatalog vorgelegt, der neun Punkte umfaßt.

Wenn Frau Kollegin Rauch-Kallat heute der Frau Bundesministerin zu erklären versuchte, was sie nicht alles zu tun hätte, dann, muß ich Ihnen ganz ehrlich sagen, möchte ich daran erinnern, wie lange wir, als die nationale Kennzeichnungsverordnung erlassen hätte werden sollen, auf die Unterschriften der ÖVP-Regierungspartner warten mußten. Bis heute sind sie teilweise noch ausständig. (Ruf bei der SPÖ: So ist es! – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Den Beweis dafür, daß wir jene 1,2 Millionen Menschen – das sind immerhin 21 Prozent der Wahlberechtigten Österreichs –, die dieses Volksbegehren unterzeichnet haben, ernst genommen haben, haben wir hinlänglich erbracht; wir werden weiterhin auf sachlich fundierte Arbeit im Sonderausschuß setzen. Ich meine, das ist eine gute, ja die beste Voraussetzung. Aber wenn


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