Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 87. Sitzung / Seite 53

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Selbstverständlich kann man über jeden Antrag reden. Nur: In der Form, in der dieser Antrag besteht, ist er für uns nicht akzeptabel. Das Recht, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen, ist ja bereits gesetzlich gesichert, nicht zuletzt durch die Europäische Menschenrechtskonvention. Wir bekennen uns selbstverständlich dazu. Alles andere aber scheint mir eine Fleißaufgabe zu sein, noch dazu eine nicht ungefährliche. Denn man muß sich bei jeder verfassungsrechtlichen Bestimmung sehr genau überlegen, welche weitergehenden Folgen das für das einfach-gesetzliche Recht hat.

Wenn ich sehe, daß Ehe und Familie in diesem Antrag unter einem genannt werden und geschützt werden sollen, so muß ich die Frage stellen: Was ist Familie? Was bedeutet Familie? Ist Familie nur ein Mann, eine Frau, die miteinander verheiratet sind und miteinander Kinder haben? Wir wissen, daß das nicht die einzige Form der Familie ist – gleichgültig, ob wir das wünschen oder nicht. Es gibt immer mehr Scheidungen, es gibt immer mehr Lebensgemeinschaften, und es gibt immer mehr Alleinerzieherinnen sowie im geringen Maße auch Alleinerzieher. Und wir müssen sehr darauf achten, daß nicht durch eine verfassungsrechtliche Regelung andere Formen der Familie, die ich eben jetzt genannt habe, benachteiligt werden, daß nicht Förderungsmaßnahmen, die zum Beispiel vor allem Alleinerzieherinnen brauchen, dann verfassungsrechtlich verhindert werden.

Ich glaube, daß es wirklich sehr wichtig ist, sich das vor Augen zu halten. Es hat bereits einmal den Versuch gegeben, Ehe und Familie als Programm in die Verfassung aufzunehmen, und es wurde darüber, wie ich mich erinnern kann, in einer Kommission im Bundeskanzleramt, die sich mit verfassungsrechtlichen Fragen befaßt hat, verhandelt. Und man kam zu einer Formulierung, die verhindert hätte, daß Alleinerzieherinnen, sogenannte unvollständige Familien, benachteiligt werden. Diese Regelung hat aber dann keine Mehrheit hier gefunden.

Wir sollten daher mit solchen Überlegungen vorsichtig sein. Man muß sich immer sehr genau anschauen, was dahintersteckt. Ich habe den Eindruck, daß dieses Thema deshalb gerade jetzt angesprochen wird, weil wir das Frauenvolksbegehren behandeln. Und ich möchte wirklich verhindern, daß da zwei Dinge vermischt werden, daß sozusagen gesagt wird, Frauenpolitik sei Familienpolitik, und wenn wir etwas für die Familie tun, dann hat das zur Folge, daß wir auch etwas für die Frauen getan haben. Ich würde mir sehr wünschen, daß Familienpolitik nicht nur eine Angelegenheit der Frauen ist, sondern auch von den Männern als Aufgabe angesehen wird. Ich glaube, daß das auch für die Männer und für die Rolle, die diese in der Familie und in der Gesellschaft spielen, sehr wichtig wäre. (Beifall bei der SPÖ.)

Für mich ist Familienpolitik wichtig, für mich ist es wichtig, daß Kinder in einer guten, in einer friedlichen, in einer sie fördernden Umwelt aufwachsen, und wir setzen immer wieder diesbezügliche Maßnahmen. Ich glaube, daß sich gerade die SPÖ immer dafür eingesetzt hat, Familien zu fördern, Kinder zu fördern, deren Chancen zu fördern. Wir werden das auch weiterhin tun, aber nicht durch Lippenbekenntnisse, sondern durch konkrete Maßnahmen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.28

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte, Frau Abgeordnete.

17.28

Abgeordnete Dr. Sonja Moser (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Die ÖVP unterstreicht hundertprozentig, was inhaltlich in diesem Antrag 355/A steht. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Nur: Einer Fristsetzung können wir absolut nicht zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Auseinandersetzung um diese verfassungsrechtliche Verankerung von Ehe und Familie bietet eine geradezu paradigmatische Fallstudie für die gesellschaftspolitische Diskrepanz, die auch heute noch für die Grundrechtsdiskussion maßgeblich ist. Die Diskussion um die Verankerung von Ehe und Familie ist bei Gott nicht brandneu. Schon vor Jahren brachten ÖVP-Abgeordnete des Nationalrates diesbezügliche Initiativanträge ein, und im Jahr 1979 fand eine


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