Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 88. Sitzung / Seite 74

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Worin besteht jetzt unsere Verantwortung als Parlamentarier und Ihre Verantwortung, meine Damen und Herren auf der Regierungsbank? – Die Verantwortung, die heute gefragt ist, bezieht sich darauf, einer verstärkten Polarisierung, die durch diese Terrorserie erfolgt ist, entgegenzuwirken. Politik hat immer die Aufgabe, Polarisierung zu verhindern und einzuschränken, nicht jedoch das Gegenteil zu tun.

Aber was heute im Nationalrat geschehen und von der FPÖ vorgetragen worden ist, das ist genau das Gegenteil. Das verstärkt die Polarisierung, die wir in unserer Gesellschaft – durch diese Terrorserie geprägt – feststellen. (Abg. Ing. Reichhold: Wer hat polarisiert in der Vergangenheit? Sie haben polarisiert!) Die Entsolidarisierung steigt auf vielen Gebieten. (Abg. Dr. Graf: Vier Jahre lang haben Sie polarisiert! Jetzt sind Sie auf die Nase gefallen! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Meine Damen und Herren! Auf der anderen Seite ist es heute für die Betroffenen und für mögliche weitere Betroffene so, daß mich eines sehr erschreckt. (Abg. Haigermoser: Wie viele Wähler haben Sie in Stinatz gehabt?) Ihr Debattenbeitrag, Herr Bundesminister, in dem Sie von einer Briefbombenattrappe berichtet haben, hat mich darin bestärkt. (Abg. Haigermoser: Wie viele Wähler haben Sie dort gehabt?)

Herr Bundesminister! Nicht allein Angst vor echten Bomben und vor echter physischer Beeinträchtigung von Menschen haben wir, hatten wir und müssen wir immer noch haben, solange das nicht aufgeklärt ist. Meine Damen und Herren! Was mir Angst macht, sind die klammheimlichen Beteuerungen, die aus der Bevölkerung kommen. (Abg. Haigermoser: Sie machen uns Angst! – Zwischenruf des Abg. Dr. Graf. ) Es sind die Briefe, die meine Kolleginnen und Kollegen im Grünen Klub bekommen und die auch ich bekomme, in denen eine Diktion vorzufinden ist wie: "Na das nächste Mal wird es schon hinhauen." (Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist es, wogegen wir heute arbeiten müssen. Diejenigen, die sich exponiert haben, exponiert durch ihren Einsatz für Humanität und Menschenrechte oder schlicht durch die Tatsache, daß sie einer Volksgruppe angehören oder – wie der Arzt aus Stronsdorf – naturalisierte, eingebürgerte Österreicher sind, müssen wir unterstützen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In dieser Hinsicht richte ich den Appell und die Bitte an Sie alle, die Aufgabe, welche die Politik hat, wahrzunehmen und den Gefahren entgegenzuwirken. Daß man das mit der FPÖ in dieser Republik nicht erreichen wird, hat der heutige Tag mehr als nachdrücklich unter Beweis gestellt. (Beifall bei den Grünen.)

Aber wenn man uns heute – einige Redner der ÖVP sowie der Herr Bundesminister und seine Kollegen aus der SPÖ-Fraktion haben das getan – hier glauben machen will (Abg. Dr. Graf: Ich verstehe überhaupt nicht, warum Einem noch Minister ist!), daß Rasterfahndung und Lauschangriff – repressive Instrumente, die sich gegen Bürgerrechte in diesem Lande richten – das Allheilmittel bei der Aufklärung von Terrorakten wären, dann möchte ich Sie auf etwas anderes hinweisen, Herr Bundesminister (Abg. Dr. Graf: Warum ist Caspar Einem nicht mehr Innenminister, wenn er der beste aller Zeiten war?) , dann möchte ich Ihnen die Frage stellen: Glauben Sie tatsächlich, daß es ohne diese Terrorakte möglich gewesen wäre, Lauschangriff und Rasterfahndung so durchzupeitschen, wie es in diesem Jahr geschehen ist?

Das ist es, was dieser Attentäter oder diese Attentäter über die physische Beeinträchtigung von Menschen in dieser Republik zustande gebracht haben. Das Klima hat sich verändert. Es hat sich aber nicht zum Besseren verändert. Wenn wir heute resümieren und darüber nachdenken, müssen wir uns die Frage stellen: Ist es nicht das Ziel der Attentäter, auszuloten, wie weit Fremdenfeindlichkeit und wie weit Fremdenfeinde gehen können? Wie weit können Minderheitenfeinde in ihren Ausdrucksmitteln gehen?

Wenn es von politischen Parteien in dieser Republik bewußt, aber auch unbewußt unterstützt wird, daß Fremdenfeindlichkeit, Ausländerhaß und Xenophobie salonfähig werden, dann befinden sich diejenigen, die das tun, auf dem Weg, die Demokratie in Österreich und jene Stabilität, die die Zweite Republik ausgezeichnet hat, Tag für Tag in den Grundfesten ins


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite