Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 90. Sitzung / Seite 102

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Wir haben uns – ich kann hier den früheren Außenminister Dr. Mock oder den sehr, sehr bekannten und leider allzu früh verstorbenen Universitätsprofessor Dr. Felix Ermacora zitieren, aber auch viele andere – eindeutig dazu bekannt, daß wir nicht nur die brutale Vertreibung, die Ermordung so vieler Personen verurteilt haben, sondern wir haben auch gesagt, daß die Beneš-Dekrete, die hier angesprochen worden sind, in unseren Augen ein Unrecht darstellen und wir die Auffassung vertreten, daß diese Beneš-Dekrete rückwirkend außer Kraft gesetzt werden sollen. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stadler: Aber wann?) Das haben wir jeweils als unsere Auffassung vertreten, und das haben auch Dr. Mock, Dr. Ermacora und viele andere betont. (Abg. Mag. Stadler: Der Schüssel leider nicht! – Abg. Scheibner: Was sagt der Außenminister dazu?)

Ich werde Ihnen jetzt folgendes sagen: Außenminister Schüssel hat in seiner Eigenschaft als Außenminister vor wenigen Monaten klar gesagt, daß Österreich – und er identifiziert sich mit dieser Haltung – seine ablehnende Haltung gegenüber den Beneš-Dekreten der tschechischen Seite erstens immer wieder zur Kenntnis gebracht hat und zweitens diese Haltung auch weiterhin vertreten wird. – Zitat Wolfgang Schüssel. Damit ist also eine eindeutige Festlegung des Vizekanzlers und Außenministers und, wenn Sie wollen, Bundesparteiobmannes der Österreichischen Volkspartei gegeben. Ich möchte das auch hier in diesem Plenum während dieser Debatte zum Ausdruck bringen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe immer die Auffassung vertreten und werde sie auch weiterhin vertreten, daß Menschenrechte – ich habe mich in vielen Teilen der Welt dafür eingesetzt, auch wenn es sehr unangenehm war – einzuhalten sind. Wir haben in der "Internationalen Parlamentarierunion" – Kollege Fischer und ich und viele andere in den jeweiligen anderen Gremien – jegliche Verletzung von Menschenrechten verurteilt.

Ich glaube, daß das auch in diesem Fall ganz klar ist: Wer vertrieben worden ist, wer sich vor allem keinerlei individueller Schuld bewußt ist und keinerlei Schuld begangen hat, dem gegenüber ist eine Menschenrechtsverletzung begangen worden, die man aufs schärfste zurückzuweisen hat. Und auch die Akte, die gesetzt worden sind, müssen nach so vielen Jahren von der Regierung, die derzeit in der jetzigen Tschechischen Republik an der Macht ist – diesen Vertrag haben wir ja damals noch mit der Tschechoslowakischen Republik abgeschlossen –, im Hinblick auf die gesamte Aufarbeitung der Vergangenheit endlich einmal angegangen und neu gesehen werden. Ich habe Hoffnung jeweils in Personen wie beispielsweise den jetzigen Präsidenten Havel gesetzt, der in dieser sehr kritischen, äußerst sensiblen Frage sehr wohl zum Ausdruck gebracht hat, daß er derartige Grausamkeiten verurteilt. (Abg. Mag. Stadler: Nur: Die deutsch-tschechische Erklärung ist das Gegenteil!) Er hat sich in dieser Situation nicht durchgesetzt! (Abg. Dr. Graf: Er hat es aber nach der Erklärung relativiert bis hin zu null!)

Nur: Die Geschichte kennt schon so viele Entwicklungen, und man darf in der Politik nie jemand sein, der sagt: Dieser Punkt ist ein endgültiger!, sondern man muß in der Politik immer jemand sein, der mit Optimismus, mit Hoffnung an eine positive Weiterentwicklung denkt und daran auch mitarbeitet.

Ich glaube, daß es sinnvoll ist, alles dazu beizutragen, um in nächster Zeit eine sinnvolle Form auch in der Begegnung mit den Kollegen unseres Nachbarstaates zu finden, um in dieser zweifellos äußerst belastenden Frage der Vertreibung, der Errichtung der Beneš-Dekrete, des noch immer vorhandenen Bekenntnisses dazu weiterzukommen und letzten Endes doch hoffentlich die Aufhebung dieser Dekrete zu erreichen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte es nicht verabsäumen zu sagen, daß diese Personen, nämlich jene, die sich immer als Altösterreicher bezeichnet haben, und deren Vertreter bereits in einer Zeit einen Schritt gesetzt haben, in der man das sehr häufig emotional noch gar nicht erwartet hatte, daß man sich dazu durchringen kann. Es war bereits im Jahre 1950! Im Jahre 1950 haben Vertreter dieser Altösterreicher in einer berühmten und mittlerweile sehr häufig zitierten Erklärung jeglicher Form – ich zitiere – der Rache und der Vergeltung abgeschworen.


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