Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 93. Sitzung / Seite 39

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Es ist zwar ganz lustig, irgendwelche Zeichen äußerlicher Art zu setzen, wie das die ÖVP heute getan hat. Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß Sie der Zukunftsorientierung im Begriff "zukunftsorientierte Familienpolitik", den Sie heute als Thema für die Aktuelle Stunde gewählt haben, mit Ihren Wortmeldungen nicht gerecht worden sind.

Ich glaube nämlich, daß Ihre Familienpolitik, wie aus Ihren Worten heute zu hören war, ein kräftiger Rückschritt sein wird. Es erscheint mir notwendig, das in einer parlamentarischen Debatte durch den Austausch von Argumenten klarzustellen. Ich sage das deshalb, weil die Abgeordnete Bauer acht ihrer zehn Minuten zunächst dafür verwendet hat, nur über die finanzielle Ausgestaltung der Familienpolitik zu reden, und gerade noch knappe zwei Minuten dafür Zeit gefunden hat, auch andere Aspekte einzubringen.

Ich sage das auch deshalb, weil Abgeordnete Bauer deutlich, aber noch deutlicher dann Kollegin Moser, davon gesprochen hat, daß Kinder eben keine Privatsache, sondern eine Angelegenheit des öffentlichen Interesses seien. Das ist bemerkenswert für eine Partei, die immer von Eigenverantwortung, von Privatsphäre und von weniger Staat spricht. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Das sagt der Verfassungsgerichtshof!) Sie hat das selbst auch gesagt. Zum Verfassungsgerichtshof komme ich schon noch. Es ist bemerkenswert, welche Geisteshaltung der Volkspartei darin zum Ausdruck kommt.

Diese Geisteshaltung wird durch die Worte der Kollegin Moser auf eine Weise unterstrichen, wie sie offener nicht hätte sein können. Von diesem Rednerpult aus sagt sie, Kinder seien keine Angelegenheit der privaten Gestaltung des Lebens, sondern ein Geschenk an die Gesellschaft.

Das erinnert mich – ich glaube, dort könnten wir es wortgleich finden – an die "Mutterkreuz"-Politik der Vergangenheit. Genau das ist die Geisteshaltung, die dahintersteht. Ihr zufolge geht es nicht darum, daß der Staat dafür Sorge zu tragen hat, daß private Lebensgestaltung möglich wird, sondern darum, daß man die Aufgaben der Familie zu staatlichen Aufgaben erklärt.

Dazu möchte ich gerne Gerhard Marschall zitieren, da er das auf den Punkt gebracht hat, sodaß ich mich ihm inhaltlich anschließen möchte. Er stellt nämlich die Frage: "Was geht den Staat überhaupt die Familie an? Sie hat, bei aller gesellschaftlicher Bedeutung, immer eines zu bleiben: Privatsphäre." Das sei der ÖVP ins Stammbuch geschrieben. (Abg. Rosemarie Bauer: Da gibt es keinen Widerspruch!) "Ein Staat, der Familie allzusehr in die Pflicht nimmt, um nicht zu sagen: für seine Zwecke mißbraucht, ist kein guter, sondern ein berechnender, zynischer Staat." – Soweit die "Oberösterreichischen Nachrichten".

Ich schließe mich dem an, weil ich das Gefühl habe, daß die ÖVP mit der Gesetzeslage die Gesellschaft anpassen will, eine, die sie vorgibt und die sie nicht sich frei entwickeln läßt. Mein Staats- und Politikverständnis ist so, daß die Politik den Bedürfnissen der Bevölkerung zu folgen hat, nicht aber, daß wir die Bevölkerung zurechtschnitzen, so wie Sie das gerne wollen und wie auch der Verfassungsgerichtshof offensichtlich die Gelegenheit ergriffen hat, aus diesem Anlaß seine familienpolitischen Vorstellungen detailliert in ein Erkenntnis zu fassen.

Ich halte das für eine klare Grenzüberschreitung des Verfassungsgerichtshofes. Der Verfassungsgerichtshof hat zu kontrollieren und nicht gestaltend einzugreifen. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Fekter: Nur weil Ihnen die Kontrolle nicht paßt!) Wenn der Verfassungsgerichtshof sagt, daß 50 Prozent des für die Unterhaltsleistung benötigten Einkommens steuerfrei bleiben sollen, dann ist das eine gestaltende Aussage, die dem Verfassungsgerichtshof nicht zusteht. Dies ist einzig Sache des Parlaments, und daher müssen wir hier darüber diskutieren. (Abg. Dr. Fekter: Das stimmt doch nicht! – Zwischenruf des Abg. Schwarzenberger. )

Ich füge weiters hinzu: Ich denke – so wie Sie es sagen, Frau Kollegin Bauer –, daß das gegeneinander Ausspielen von Arm und Reich weder in der Familienpolitik noch sonstwo Platz haben sollte. Das ist ein Übel. (Beifall beim Liberalen Forum.) Aber wenn wir in der Familienpolitik wollen, daß Selbstgestaltung in der Familie tatsächlich geschehen kann, dann müssen wir diejenigen unterstützen, die es brauchen, ...

Präsident Dr. Heinz Fischer (das Glockenzeichen gebend): Bitte um den Schlußsatz!


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