Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 93. Sitzung / Seite 77

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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielleicht noch zur Frage: Warum überhaupt diese Reform? Es ist ja heute bereits mehrfach angeschnitten worden. Man muß auf das Expertenhearing hinweisen, das ja gezeigt hat, daß derzeit überall in Europa Fragen der Pensionsreform aktuell sind, nicht nur aus Aspekten der Demographie, sondern auch – und das wird oft übersehen – weil ja die neuen, die heranwachsenden Pensionen erfreulicherweise höher sind als die früheren, weil die Einkommen der zu Pensionierenden gestiegen sind, wobei gleichzeitig die Tendenz zu verzeichnen ist, daß die langfristigen Wachstumsraten in ganz Europa deutlich niedriger sind als zu der Zeit, in der diese Systeme konzipiert wurden. Während wir heute sagen, 2 Prozent langfristiges Wachstum ist ein realistischer und durchaus guter Wert, konnten wir früher vielleicht mit 4 Prozent rechnen.

Das heißt, es handelt sich da um Strukturbrüche. Und jetzt geht es darum, in diesen Strukturbrüchen das Umlageverfahren, zu dem wir uns bekennen, funktionsfähig zu halten. Und ich möchte darauf hinweisen – weil er heute schon öfters genannt wurde –, daß Professor Rürup sehr deutlich erklärt hat, daß einer der Vorteile, die er bei dieser Reform erkennt, ist – das gilt sowohl für den ASVG-Bereich als auch für den Bereich der Beamten –, daß es gelungen ist, das Umlageverfahren in seiner Funktionsfähigkeit zu erhalten und damit auch als Grundvoraussetzung unserer sozialen Sicherheit zu stärken. Und das ist ein nicht unwesentliches Ergebnis dieser Reform (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, weil von seiten der FPÖ immer wieder das Kapitaldeckungsverfahren als Alternative herangezogen wird, daß zumindest die Hälfte oder zwei Drittel über Kapitaldeckungsverfahren ... (Abg. Mag. Trattner: Zusätzlich!)  – Nicht nur zusätzlich, denn das ist die Entwicklung, die wir schon haben. Pensionskassen gibt es ja bekanntlich in Österreich, und ich bekenne mich auch dazu. Sie wollen ja, daß das Umlageverfahren in eine Randposition zurückgedrängt wird, daß es im wesentlichen dann nach dem Kapitaldeckungsverfahren geht. Und gerade Sie wissen ganz genau, daß damit das Problem besteht, daß eine Generation, und zwar eine große Generation, zweimal zur Zahlung herangezogen wird und gleichzeitig das System mit größerer Unsicherheit behaftet ist, wie sich ja gerade in diesen Tagen zeigt.

Das heißt, man muß hier sehr deutlich sagen ... (Abg. Mag. Trattner: Übergangsregelungen, Herr Professor!) – Übergangsregelungen helfen nichts gegen das Problem, das in diesem Zusammenhang besteht, daß nämlich der Aufbau parallel zu einem Umlageverfahren mit gewaltigen Kosten, die unrealistisch sind, verknüpft wäre. Sie wollen unter dem Titel "Drei-Säulen-Modell" in Wirklichkeit eine Demontage des Umlageverfahrens. Das würde auch eine Demontage der sozialen Sicherheit in Österreich bedeuten. Und das muß man einmal sehr deutlich sagen.

Die Doppelbödigkeit der Argumentation hat sich gerade heute wieder beim Dr. Haider gezeigt, da ihm die Reform zum einen zu hart war, während er dann wieder darauf hingewiesen hat, daß eigentlich alles zuwenig war. Da kann man nur sagen: Das Motto, daß man einfach immer gegen alles ist – was immer auch geschieht, ich bin dagegen! –, ist vielleicht ein gutes Motto für eine Opposition (Abg. Dr. Schmidt: Nicht einmal das!), für manche Oppositionsparteien, aber es ist kein Motto, nach dem eine verantwortungsbewußte Regierung vorgehen sollte. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte noch einen Punkt anschneiden, der mir auch in diesem Zusammenhang sehr wichtig ist, nämlich das Verhältnis des Staates zu seinen Beamten. Zu beweisen, daß dieses Verhältnis in manchen Teilen gestört ist, dazu bedurfte es nicht erst der unerfreulichen Vorkommnisse beim Gewerkschaftstag der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, wobei ich aber schon in aller Fairneß dazusagen muß: Man hört ja immer nur die mit dem Trillerpfeifchen, die anderen hört man nicht; es war ja nicht so, daß das sozusagen quer durch gegangen ist, es waren Gruppen. (Abg. Mag. Trattner: Es war der Großteil!) Aber es ist dies immerhin ein Phänomen, das man ernst nehmen muß.

Was wir hier sehen, ist die Wirkung eines großen, auch gesellschaftlichen Strukturbruches, bei dem es vom Bild eines obrigkeitsorientierten Staatsdieners, durchaus auch mit guten Seiten, in Richtung eines modernen Dienstleistungsbereiches geht, wobei man hinzufügen muß, daß es


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