Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 94. Sitzung / Seite 76

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Diese beschlossene Regelung ist – erster Punkt – ein dramatischer Bruch mit anderen Förderungsmaterien, sie ist inkonsequent, und – zweiter Punkt – sie ist ein schrecklicher Eingriff in die Meinungsfreiheit und die Meinungsvielfalt.

Zum ersten Punkt – ich weiß nicht, wie vielen hier es bekannt ist, mir ist es gut bekannt, ich habe in diesem Bereich etliche Jahre gearbeitet –: Es ist ein Prinzip der Wirtschaftsförderung, daß bei Betriebsansiedlungen, bei Betriebssanierungen versucht wird, sogenannte Förderungspakete zu schnüren. Das ist auch im Bereich der Landwirtschaft immer wieder gang und gäbe. Man schnürt Förderungspakete, und man versucht ganz bewußt, verschiedene Förderungsmittel zusammenzuhäufen, um ein möglichst attraktives Angebot für einen Investor zu machen. Da kommen dann Mittel aus dem ERP-Fonds, von der Finanzierungsgarantiegesellschaft, von der Arbeitsmarktverwaltung, von den Ländern und den Gemeinden zusammen – ein attraktives Angebot für einen Investor.

Ich habe nie eine Stimme in der ÖVP dagegen gehört, daß man derartige Förderungskumulierungen auf dem Wirtschaftssektor durchführt, auch wenn es sich um ganz potente Investoren, die das leicht auch so zahlen könnten, handelt. Man will sie anlocken, und da haben die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler aus den verschiedenen Töpfen jede Menge Geld auf den Tisch zu legen.

Das gleiche gilt für die Landwirtschaft. Da gibt es EU-Förderungen, nationale Förderungen. Sie wissen, um wie viele Milliarden Schilling es da geht, Sie wissen, daß das bereits die Hälfte des EU-Budgets ausmacht, und Sie wissen auch, daß diese Gelder – und wir reden nicht von 6 oder 7 Millionen, sondern wir reden von vielen Milliarden – in dunklen Kanälen versanden. Ich habe hier von dieser Seite des Hauses noch kein Wort dazu gehört, und von Ihnen höre ich auch sehr wenig; aber die 6 oder 7 Millionen für kleine Zeitungen, etwa für feministische Zeitungen – das sind sie nämlich, radikal-feministisch, ich glaube, wir brauchen so etwas in Österreich –, werden "zugedreht". Sie, meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, wollen offenbar diese Auseinandersetzung mit dem Koalitionspartner nicht führen, das ist Ihnen unangenehm; 6, 7 Millionen, die kann man schon wegstreichen, während für die großen Wirtschaftsunternehmen die Milliarden nach wie vor vorhanden sind. – Meine Damen und Herren, überlegen Sie diese Inkonsequenz!

Zweiter Punkt, und das ist der mir noch wichtigere Punkt: die Meinungsfreiheit. Mein Kollege Andreas Wabl hat es bereits gesagt: Österreich ist – ich bin jedenfalls noch davon überzeugt – ein Rechtsstaat. Aufrufe zum Gesetzesbruch werden von den öffentlichen, von den staatlichen Gerichten geahndet. Meine Damen und Herren! Wenn Sie der Meinung sind, daß Sie über dieser Gerichtsbarkeit stehen, daß Sie befugt sind, dieser Gerichtsbarkeit oder auch dem Verfassungsgerichtshof Zensuren zu erteilen, dann, glaube ich, geht das in eine Richtung, die Ihnen in keiner Weise zusteht – aber mit Deckung der sozialdemokratischen Fraktion! (Beifall bei den Grünen.)

Wenn Sie sich hier auch den Rufen der ÖVP und der FPÖ anschließen, dann sage ich Ihnen: Ja, ich rufe nach wie vor dazu auf, Befehle, Soldaten gegen Flüchtlinge einzusetzen, nicht zu befolgen. Ich kann das mit meiner Überzeugung als Abgeordnete, als Frau und als Christin nicht vereinbaren. Ich glaube nicht, daß ein faires Asylverfahren vor einem Gewehrlauf beginnen kann. Wenn es eine Aufgabe für Armeen gibt, dann besteht diese nur in der militärischen Landesverteidigung, in der Abwehr von bewaffneten Angriffen, jedoch niemals in der Abwehr von Menschen in Not. Das ist meine Überzeugung, und zu der stehe ich. (Beifall bei den Grünen.)

Ich bin für diese Überzeugung, die ich immer schon geäußert habe, auch als ich noch nicht immun war, vor Gericht gestanden, und ich habe dort recht bekommen. – Mehr noch: Ich habe Klage gegen die Republik Österreich vor dem Verfassungsgerichtshof geführt, Herr Klubobmann Khol, der dieser meiner Klage wegen Beschränkung meiner verfassungsmäßig gewährleisteten Rechte vollinhaltlich stattgegeben hat. Wem steht es da noch zu, ein Urteil über den Verfassungsgerichtshof, auf den Sie sich so gerne berufen, wenn Sie jetzt über die Familienförderung diskutieren, zu fällen? Ich frage Sie: Mit welchem Maß messen Sie, meine Damen und Herren? (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr Khol: Mit dem Maß der Verfassung!)


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