Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 94. Sitzung / Seite 91

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Damit ich jetzt nicht mißverstanden werde: Es ist leider viel zu oft passiert, daß diese Regierungskoalition, daß sich die Mehrheiten in diesem Haus, seit ÖVP und SPÖ wieder ihre Zweidrittelmehrheit haben, in ihrer – ich möchte sagen – Machtvollkommenheit dafür eingesetzt haben, Gesetze mit einer Zweidrittelmehrheit auszustatten, um sie der Kontrolle des Verfassungsgerichtshofes zu entziehen. (Abg. Großruck: Ist das verfassungswidrig?) Das ist natürlich nicht verfassungswidrig. Das ist nur ein Ausdruck einer üblen politischen Kultur, Herr Kollege. Das ist meine Qualifizierung. (Beifall beim Liberalen Forum.) Daß Sie eine andere haben, ist bekannt!

Ich meine, daß die Demokratie davon lebt, daß die Instrumente der Demokratie im Geiste der Demokratie und mit Augenmaß eingesetzt werden. Darüber haben wir gestern schon gesprochen. Meiner Meinung nach richten Sie sich es sich, wie Sie es brauchen. Sie setzen Ihre Verfassungsmehrheit so ein, wie es Ihnen gerade paßt, beschließen rückwirkende Bestimmungen, was alles andere als eine Weiterentwicklung der Verfassung ist – so geschehen beim Strukturanpassungsgesetz beim vergangenen Budget –, beschließen Bestimmungen wie im Zivildienstgesetz, was alles andere als eine Weiterentwicklung der Verfassung ist, wo es Ihnen immer nur darum geht, daß der Verfassungsgerichtshof nicht kontrollieren kann, daß Sie ein dem Geiste der Verfassung widersprechendes Gesetz beschlossen haben.

Eine solche Vorgangsweise meine ich also nicht, wenn ich sage, daß mehrere Varianten zulässig sind, wenn der Verfassungsgerichtshof zum Ergebnis gekommen ist, daß ein Gesetz verfassungswidrig ist, nämlich ob man das Erkenntnis eins zu eins umsetzt oder aber mit einer Verfassungsmehrheit die beanstandete Bestimmung bestätigt. Es geht vielmehr darum, daß im Lichte dieses Erkenntnisses in diesem Parlament die Debatte darüber stattfinden muß, ob wir das Ergebnis, das der Verfassungsgerichtshof uns vorgegeben hat, wollen oder ob es unseren gesellschaftspolitischen Vorstellungen nicht entspricht. Denn immer noch sind es die Volksvertreter, die die gesellschaftspolitischen Vorstellungen umzusetzen und in Gesetze zu gießen haben.

Was das Verfassungsgerichtshoferkenntnis betrifft, so hat Christian Rainer in der letzten Nummer des "trend" – wie auch im übrigen viele andere Journalisten bis hin zu Universitätsprofessor Doralt – festgestellt, daß von der Auswirkung dieses Erkenntnisses vor allem wohlhabende Eltern profitieren werden. (Abg. Dr. Lukesch: Der Doralt hat das wieder zurückgenommen!)  – Das ist eine Feststellung. Diese können Sie gerne ... (Abg. Steibl: Was ist "wohlhabend"? – Bundesminister Dr. Bartenstein: Doralt hat vom Mittelstand gesprochen!) Ich weiß, daß Herr Minister Bartenstein regelmäßig von der Regierungsbank Zwischenrufe macht. Ich habe etwas für Zwischenrufe übrig, daher stören sie mich nicht. Sie können sich aber durchaus irgendwann zu Wort melden. (Abg. Dr. Khol: Das hat schon Bundeskanzler Kreisky immer gemacht!) Jedenfalls ist das eine Tatsache, die uns vielleicht auch der Finanzminister näher erläutern wird, denn er ist für derartige Beurteilungen durchaus zuständig.

Christian Rainer bezeichnet – und ich zitiere ihn – diese Auswirkung als "pervers", und er meint, der Verfassungsgerichtshof könne sie zwar nicht direkt verhindern – wenn er es einmal so sagt –, verhindern könne sie nur der Gesetzgeber. – Ich schließe mich dem an.

Das ist der Grund, warum wir nicht nur heute diesen Dringlichen Antrag einbringen, sondern uns noch öfter mit dieser Materie im Parlament befassen werden, weil der Verfassungsgerichtshof immerhin die Aufhebung der Bestimmung mit 31. Dezember 1998 befristet hat. Das heißt, wir haben Zeit, und wir sollten uns die Zeit nehmen, sowohl die ideologische Debatte als auch die verfassungsrechtliche Debatte in diesem Haus zu führen, denn das Ergebnis dieser Debatte sollte keine Vorlage sein, die unter Zeitdruck – wie Sie es so gerne machen – mit den Mehrheiten, die Sie vorher schon festgelegt haben, irgendwie beschlossen wird, sondern die soll sich erst entwickeln.

Deswegen und weil damit mit Sicherheit auch finanz- und budgetrechtliche Auswirkungen verbunden sind, ist es notwendig, diese Debatte vor dem nächsten Bundesvoranschlag 1999 zu führen. Das ist der Grund, warum wir uns heute damit auseinandersetzen. (Beifall beim Liberalen Forum.)


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