Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 96. Sitzung / Seite 19

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Hat der Macher Klima, hat diese Bundesregierung, haben diese beiden Koalitionspartner auch nur einen Finger in Richtung Verwaltungsreform gerührt? Die ÖVP hält sich einen Verein mit Namen "Kampf der Gesetzesflut"! Dieser wird immer wieder aufgegossen, wie in einer Sauna, wo man jedesmal einen Aufguß macht und sich daran erfreut, danach ist wieder alles vorüber. (Abg. Dr. Maitz: Sehr gesund, Sauna!) Sogar im Budgetausschuß ist darüber geredet worden, daß wir der Gesetzesflut den Kampf ansagen müßten.

Kollegin Frieser! Sie waren im Budgetausschuß übrigens nicht mehr anwesend, als der altbekannte Reflex des Kollegen Wurmitzer eingesetzt hat. Anhand eines Berichtes der Volksanwaltschaft hat er festgestellt, daß es in einem bestimmten Bereich, nämlich jenem der Nachbarschaftsstreitigkeiten, wieder mehr Beschwerden gibt. Er hat wörtlich gesagt, die Volksanwälte sollten sagen, welche Regelungen sie vom Parlament erwarten, damit sich die Zahl der Beschwerden verringert. Das ist auch in Ihren Reihen der Reflex auf dieses Problem. Sie sollten erst einmal in Ihren eigenen Reihen Überzeugungsarbeit leisten, dann können Sie vielleicht in einem Verein darüber hinausgehen. Ich sage das nur, damit Sie, wenn Sie das nächste Mal mit dem Kollegen Wurmitzer ein Gespräch führen, eine andere Ausgangssituation haben. (Zwischenrufe der Abgeordneten Mag. Frieser und Dr. Lukesch. )

Es geht aber meiner Meinung nach nicht nur um die Zahl der Gesetze – obwohl, ich gebe Ihnen recht, das ebenfalls ein Aspekt ist –, sondern auch um ihre Qualität! Damit meine ich nicht nur Schlampigkeiten und Ungereimtheiten, sondern die Regelungsintensität der Gesetze. Dabei fällt mir folgendes auf: Der Begriff "schlanker Staat" ist zwar inzwischen seit Jahren in aller Munde – und zwar nicht nur bei der ÖVP, sondern sogar bei der SPÖ, bei den Liberalen sowieso und bei allen anderen Parteien auch, das ist überhaupt kein Alleinstellungsmerkmal mehr –, die Frage ist aber, welchen Inhalt man diesem Begriff gibt.

Es ist nun interessant, daß man bei der Forderung nach einem "schlanken Staat", wenn es um den Kostenfaktor geht, zumindest formal die meisten auf seiner Seite hat. Wenn es aber um den Begriff "schlanker Staat" im Sinne einer Bevormundung geht, dann scheiden sich die Geister. Das ist sehr interessant, denn auch das gehört zur gesellschaftspolitischen Konzeption.

Meiner Meinung nach besteht Politik nicht nur darin, danach zu trachten, daß alles bezahlt werden kann – so etwa, wie Sie Ihre Familienpolitik offensichtlich in erster Linie vom Kostenfaktor her sehen (Abg. Mag. Frieser: Das stimmt nicht!)  –, sondern es geht um Haltungen und Werte und darum – das sage ich Kollegen Khol, der das immer einmahnt –, welche inhaltliche gesellschaftspolitische Konzeption dahinter steht. Daher ist beim Thema "schlanker Staat" zu überlegen, was der Staat regeln muß , was er überhaupt regeln darf und, wenn er etwas regelt, wo der größtmögliche Freiraum für den einzelnen ist. Das sollten die Kriterien sein, die man an Gesetze anlegt! Bei den Regierungsparteien ist, wie ich merke, das Gegenteil der Fall.

Wenn es um Ihre Machtinteressen geht, dann interessiert Sie der "schlanke Staat" überhaupt nicht – Schlagwort Pflichtmitgliedschaft –, dann glauben Sie sicherheitshalber regeln zu müssen, bevor Ihnen die Felle davonschwimmen. Wenn es darum geht, daß man dem einzelnen nichts zutraut und glaubt, ihn zwangsbeglücken zu müssen, ist die SPÖ sofort zur Hand, die sagt, man müsse das regeln! Wenn ein bestimmtes gesellschaftliches Bild, nämlich ganz konkret etwa bestimmte Lebensformen oder Verhaltensweisen, entwickelt werden soll, läßt das die ÖVP nicht zu. Sie überläßt das nicht dem freien Willen des einzelnen. Nein! Sie ruft nicht nach dem "schlanken Staat", sondern nach Regeln, die genau festgelegt gehören, und sei es im Strafgesetz. Wir werden heute nachmittag beim Kapitel "Justiz" noch darauf zurückkommen – Schlagwort Sexualstrafrecht, wo es darum geht ... (Abg. Großruck: Das wollen Sie regeln! Sie wollen einen Diskurs ... ! Sie wollen die Homosexuellen-Ehe!)

Ja, genau! Ich freue mich, mit Ihnen in einen Diskurs zu treten, denn daran wird deutlich, welche Art der gesellschaftspolitischen Konzeption Sie vertreten. Ihnen geht es um Ihre Regeln der Sittlichkeit, nicht um Selbstbestimmung und schon gar nicht um sexuelle Selbstbestimmung. Wir werden bei anderen Dingen noch darauf zurückkommen. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Grünen.)


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