Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 96. Sitzung / Seite 93

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Vielmehr ist es mir ein Bedürfnis, die kurze Zeit zu nutzen, um ein wenig über das Rollenverständnis in bezug auf Künstler und Intellektuelle eine Diskussion zu führen – vielleicht paßt das dann ja wieder in dieses Thema. (Abg. Dr. Khol: Emotionale Intelligenz! Emotionale!) – Nun ja, der IQ-Test läßt ja vermuten, sie will mehr Intellektuelle im Parlament haben. (Abg. Dr. Khol: Er hat nicht viel!)

Wiewohl wir mit der Einführung eines Beiratsystems versucht haben, eine Abkoppelung von den Politikerwünschen zu erreichen, wiewohl wir über neue Instrumentarien der Kunstförderung diskutieren, keine Einsparungen im Kunstbudget vermelden können, wiewohl jetzt ein Filmförderungsgesetz eingebracht wird, die Bundestheaterreform debattiert und zu finalisieren versucht wird und es über Kunstvermittlung eine Debatte gibt – das heißt, es geschieht ja etwas in Österreich im Kunst- und Kulturbereich –, werden wir regelmäßig mit ideologisch motivierten Attacken konfrontiert, die mit den fürchterlichsten Formulierungen geführt werden.

Wenn ich etwa die Seite 80 des Haider-Buches – Sie werden mir gestatten, daß ich auch dazu immer wieder kurze Beiträge in die Diskussion einbringe – aufschlage, dann sehe ich unter dem Titel "Streicht die Knete" folgenden Satz: "Der Staat schafft sich also durch die gezielte Subventionierung nicht nur ein politisches Instrument, sondern auch ein Kulturmonopol, das in der freien Konkurrenz keine Chancen hätte. Zu seinen Füßen liegen die dankbaren Staatskünstler und lecken seine Schuhe."

Was das in dem Diskurs über Intellektuelle und Künstler für einen Platz hat, ist mir schleierhaft, wenn nicht hinter der Agitation gegenüber der sogenannten Kunstbürokratie, dem Kunstapparat und den engagierten Künstlern möglicherweise ein anderer Gedanke steht. Denn ich glaube, auf Seite 79 läßt er dann – wie man auf gut Wienerisch sagt – die Sau raus. Da steht es dann wirklich ganz genau: "Es wird jedoch dann zum peinlichen Laienspiel, wenn er" – nämlich der kritische Künstler – "im Auftrag der Staatsmacht direkt oder indirekt den politischen Gegner in der Demokratie bekämpft."

Das ist hart an der Grenze der Zensur – oder noch besser –, das ist eigentlich die Anmaßung, daß nur der ein Künstler ist, der sich nicht aus kritischer Perspektive – beispielsweise gegenüber Jörg Haider oder gegenüber den Freiheitlichen – politisch engagiert. Das sollte man aber in dieser Kunstdebatte einmal klar ausdiskutieren! Abgeordneter Krüger sitzt da, hat sich dazu aber noch nie geäußert. Ich würde gerne einmal Ihre Meinung dazu hören und erfahren, was Sie dazu sagen, daß Kunst so definiert wird. Ich denke, wir könnten darüber eine sehr breite Debatte führen, und dies nicht nur auf jener Ebene, auf der Menasse dies im "profil" getan hat, indem er sich sprachlich ein wenig ausgelassen und mit dem Satz "Mit dem Tod von Sartre ist der letzte europäische Intellektuelle gestorben" kritisch auseinandergesetzt hat. Wichtiger ist es, die Frage zu stellen: Was ist überhaupt ein Intellektueller?

Zu diesem Thema ist der Artikel von Michael Ignatieff im "Spiegel" natürlich sehr interessant. Nur, er definiert das ganz anders. Er sagt ja auch nicht, der letzte Intellektuelle ist mit Sartre gestorben, sondern er sagt, der klassische Intellektuelle im Sinne Voltaires, wie es 1733 formuliert wurde, ist in der heutigen Zeit Mangelware und sollte zum Beispiel auch in bezug auf Wissenschaftskritik, in bezug auf Politikkritik auftreten. Und da definiert er: "... doch erst Voltaire" – ich zitiere –"erfand den öffentlichen Intellektuellen: die Geißel der Kirche, den Stachel im Fleisch der Fürsten, den ironischen, spitzen Habitué in den Salons schöner Frauen."

Das ist in etwa die Definition, wie wir sie im 18. Jahrhundert gehabt haben. Ich muß nun die Frage stellen: Was sollte der kritische Intellektuelle heute leisten? – Darüber zu diskutieren, wäre, wie ich meine, einmal eine Debatte, die mit Sicherheit von größtem Interesse wäre im Sinne der Definition, daß die Intellektuellen die Erfinder und Hüter der großen Erzählungen über unser Woher und Wohin sind, die Interpreten, die, die den großen Diskurs führen, aber nicht, wie es hier richtig steht – ich kann das ja nur als Selbstkritik empfinden; ich zitiere –: Kleinkrämer, Provinzialisten, angerührt, eitel, keine Kritik aushaltend, die jedem Künstler, der sich kritisch mit ihnen auseinandersetzt, absprechen, daß er ein Künstler ist. Das ist kein Diskurs, das ist einfach erbärmlich! (Beifall bei der SPÖ.)

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