Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 96. Sitzung / Seite 108

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wie es sich der Bürger vorstellt, wie er berechtigt ist, es sich vorzustellen? Die Meinungen darüber gehen naturgemäß auseinander, je nach dem Standpunkt der Betroffenen.

Eines steht fest: Die Justiz verliert in der Innenpolitik gegenüber anderen Ressorts an Boden. Ich glaube nicht, daß das zufällig ist. Man bemüht sich, heikle Bereiche in andere Ressorts zu ziehen, und ich glaube, daß sich die Justiz dagegen zuwenig wehrt. Das haben wir schon bei der Mietrechtsmaterie, bei der jüngsten umfassenden Novelle, beobachten müssen. Auf einmal haben die Mietrechtsdinge nicht mehr zur Justiz gehört, sondern zum Bautenressort. (Abg. Dr. Fuhrmann: Bei der letzten?) Ich habe gesagt, bei der letzten von Gewicht. (Abg. Dr. Fuhrmann: Nicht bei der letzten!) Ich sage es noch einmal für den lieben Willi Fuhrmann: bei der letzten Novelle von Gewicht.

Bei den Suchtgiftdingen haben wir zunächst einmal den Namen geändert. Wir sind von der zutreffenden Bezeichnung "Suchtgiftgesetz" zu der verharmlosenden Titelgebung "Suchtmittelgesetz" gekommen. Dieses Gesetz, das sich mit Schwerkriminalität auseinandersetzt und eine Höchststrafdrohung von 20 Jahren Freiheitsstrafe vorsieht, ist schon beim Gesundheitsressort gelandet und wird gar nicht mehr vom Justizressort behandelt.

Ich glaube, daß das Signale sind, die in die falsche Richtung gehen, und ich ersuche den Bundesminister für Justiz, schon zu schauen, daß nicht allzuviel von dem, was zu seinem Besitzstand gehört, in andere Bereiche wandert; zumal, wenn es sich um so heikle Materien handelt, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Tatsächlich ist es so, daß die zivilen Bereiche, noch mehr die außerstreitigen Dinge der Zahl nach die Strafrechtsangelegenheiten im Justizsektor bei weitem überwiegen. Trotzdem ist die Öffentlichkeit immer der Ansicht, Justizpolitik ist gleich Strafrechtspolitik. Ich möchte mich daher in meinen Ausführungen hauptsächlich auf die Strafrechtsdinge beziehen und auch mit ihnen beginnen.

Noch immer müssen wir feststellen, daß in der Strafrechtspflege zuwenig zwischen gefährlichen, professionellen Tätern auf der eine Seite und harmlosen Zufalls- oder Ersttätern auf der anderen Seite differenziert wird. Noch immer werden nach ein und demselben Gesetz in ein und demselben Saal hintereinander von ein und demselben Richter schwere Verbrecher, Berufsverbrecher, die wirklich gefährlich sind, und Zufallstäter oder Fahrlässigkeitstäter im Eigentumsbereich abgeurteilt.

Ich darf einmal mehr in Erinnerung rufen, daß wir es noch immer unternehmen, fahrlässige Vermögensdelikte unter dem Titel der "fahrlässigen Krida" vor Gerichtshöfen abzuurteilen. Ich kann mich nicht damit zufriedengeben, wenn es aus höchstem Munde in diesem Zusammenhang heißt, die fahrlässige Krida sei eine Art Auffangnetz für alle Vermögensdelikte überhaupt, die man sonst nicht erfassen könnte, und im übrigen seien die, die da vor Gericht stehen, ja ohnehin alle Verbrecher.

Tatsächlich ist es so, daß bei der fahrlässigen Krida Leute, die geschäftlich Schiffbruch erlitten haben, die in der Regel ohnehin alles verloren haben, denen alles versteigert worden ist, dann noch vor Gericht stehen, daß immer sehr kostspielige Gutachten vom Buchsachverständigen eingeholt werden, die 100 000 S, 150 000 S und mehr kosten. Diese Aufwendungen sind immer uneinbringlich, und es wird je nach dem Richter, der die Sache abhandelt, eine Freiheitsstrafe bedingt in der Dauer von drei oder vier Monaten verhängt. Man soll doch endlich einmal dazu finden – ich werde das immer wieder erwähnen, bis es einmal soweit sein wird –, daß man fahrlässige Vermögensdelikte, zumindest in der Hauptmaterie der fahrlässigen Krida, nicht abhandelt vor den Gerichten, jedenfalls nicht vor den Gerichtshöfen, meine Damen und Herren. Das nimmt Arbeitskapazität bei den Gerichten weg und bedeutet, daß man in der Strafrechtspflege das Kind mit dem Bade ausschüttet.

Ein ähnliches Problem, das offenbar nicht weiterzubringen ist, ist jenes der Rechte für die Opfer von strafbaren Handlungen. Wir hören immer wieder, daß die Täter mehr Rechte haben als die Opfer. Das stimmt nur bedingt, aber es ist tatsächlich so, daß im Strafprozeß selbst – und auf den kommt es letztendlich an – das Opfer auch in der Gestalt des Privatbeteiligten praktisch


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