Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 96. Sitzung / Seite 109

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überhaupt keine Rechte hat. Der Privatbeteiligte oder sein Vertreter sitzt dort, er ist nicht berechtigt, auch nur einen Antrag zu stellen, er ist nicht berechtigt, ein Rechtsmittel einzubringen. Er hat überhaupt keine Rechte im Verfahren selbst, und ich halte es daher für eine Spiegelfechterei, wenn immer wieder erklärt wird, er braucht keine Rechte im Verfahren, er braucht nur Aufklärung über die Rechte, die er hat. Das bedeutet, daß man ihm sagen müßte: Du hast keine Rechte. Du bist Opfer geworden, aber du hast keine Rechte. – Das wäre die Aufklärung. Er braucht die Rechte im Strafverfahren, in der Hauptverhandlung. Die müssen wir ihm geben, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist auch der immer wiederkehrende Verweis auf den außergerichtlichen Tatausgleich, der auch bei den Erwachsenen über kurz oder lang flächendeckend Platz greifen wird, in Wahrheit nicht wirklich aussagekräftig. Denn es werden immer nur 15 oder höchstens 20 Prozent der strafbaren Handlungen sein, die mit außergerichtlichem Tatausgleich enden. Alles andere, also der Löwenanteil der strafbaren Handlungen, wird vor Gericht in der Hauptverhandlung abgehandelt werden, sodaß die Rechte der Opfer nicht mit dem außergerichtlichen Tatausgleich in Masse zum Besseren gebracht werden können, sondern nur durch eine Novellierung der Rechte der Opfer im Strafverfahren selbst.

Wir erleben auch immer wieder, daß zutreffend über einen zu langsamen Ablauf der Dinge bei den Gerichten geklagt wird, daß man aber dann darangehen möchte, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Wir haben eine Vorlage in Richtung auf eine erweiterte Wertgrenzennovelle bereits im Haus. Es wird darüber noch beraten und verhandelt werden; ich möchte nicht zu weit vorgreifen.

Trotzdem möchte ich darauf hinweisen, daß ich mich des Eindrucks nicht erwehren kann, daß man mit dieser Novelle wieder einmal darangehen möchte, eine Beschleunigung der Dinge vor Gericht zu Lasten der Einzelfallgerechtigkeit zu erreichen. Das, was sich der Bürger in einem Rechtsstaat in erster Linie und vor allem von der Arbeit der Justiz erwarten darf, ist Gerechtigkeit, ein möglichst hohes Maß an Gerechtigkeit in jedem einzelnen Fall. Zu Lasten dieser Gerechtigkeit zu beschleunigen, indem man nämlich nicht eine höhere Schlagzahl in der Tätigkeit der Justizbediensteten ins Auge faßt, sondern Schranken einzieht, die bewirken, daß nicht einmal die Kläger im Zivilverfahren nach Ablauf von bestimmten Fristen noch Vorbringen erstatten können, weil man ihnen, auch den Klägern, unterstellt, die Dinge zu verzögern und zu verschleppen, kann da nicht wirklich zielführend sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es gibt aber auch soziale Probleme in der Justiz. Wir haben uns bereits in den letzten Tagen damit befaßt, daß die, denen es ohnehin am miesesten geht in diesem Bereich, nämlich die Rechtspraktikanten, die noch dazu die Passage des Gerichtsjahres hinter sich bringen müssen, in ihren finanziellen Abgeltungen rückwirkend stark reduziert worden sind. Und man hört immer wieder, daß man die Zahl der Rechtspraktikanten überhaupt beschränken möchte, und auch, daß man ihnen finanziell noch weiter ans Leder möchte. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Ich appelliere an die Verantwortlichen, die Rechtspraktikanten nicht schlechter-, sondern besserzustellen in ihren sozialen Positionen, zu garantieren, daß auch in Zukunft die Studenten, die ja die Gerichtspraxis brauchen, um Rechtsberufe ergreifen zu können, einen Anspruch darauf haben, die Gerichtspraxis zu absolvieren, und ihnen vielleicht im Gegenzug, so wie es früher war, wieder mehr Aufgaben zu geben, sodaß es ohne Rechtspraktikanten nicht geht und sie sich letztendlich bezahlt machen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ein Satz noch: Wo kommt das Geld hin? Man sagt, die Rechtspraktikanten kosten so viel Geld. Mit einer Zahl kann ich in diesem Zusammenhang aufwarten: Das Geld fließt in Kanäle, in denen wir es nicht gerne sehen. Wir erleben zum Beispiel, daß es in Strafverhandlungen wegen Serieneinbrüchen und bei ähnlichen Anlässen vier, fünf, sechs Dolmetscher in einer einzigen Hauptverhandlung gibt, die von ukrainisch bis türkisch und serbokroatisch alles zu dolmetschen haben. Und es drängt sich die Frage auf – ich bin schon beim letzten Satz, Herr Präsident –: Was kosten diese Dolmetscher in den Strafverfahren vor Gericht? – Ich kann es Ihnen sagen: Sie haben im Jahr 1996, völlig uneinbringlich natürlich, 46 Mil


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