Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 96. Sitzung / Seite 117

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Herr Justizminister, da vermisse ich auch Ihre Einsicht. Sie zitieren Statistiken, wonach soundso viele neu angefallene Rechtsfälle innerhalb einer bestimmten Frist erledigt werden, innerhalb Jahresfrist – 80, 90 Prozent. Das mag der Fall sein, aber man kann sich doch nicht an jenen Verfahren orientieren, in denen es einen Kläger gibt und der Beklagte ein Versäumnisurteil ergehen läßt. Wie wir wissen, ist das die rascheste und häufigste Erledigung jedes Verfahrens. Wir wissen aus der Praxis, daß 90 Prozent der Fälle mit einem Versäumnisurteil oder mit einem Zahlungsbefehl enden, weil es keinen Einspruch gibt. Man kann doch diese Fälle nicht in die Statistik mit aufnehmen und sagen: Schaut her, 90, 95 Prozent der angefallenen Rechtsfälle werden innerhalb Jahresfrist erledigt. – So kann es nicht gehen! Ich vermisse da wirklich Ihre Einsicht, Herr Minister.

Wenn Sie sagen, daß es Anwälte gibt, die Verschleppungsakte setzen, so bestätige ich Ihnen das. Natürlich gibt es in jeder Berufsgruppe schwarze Schafe. Aber aus der Praxis sage ich Ihnen, daß die überwiegende Mehrzahl jener Rechtsstreitigkeiten, die über Jahre zum Schaden der Kläger nicht abgewickelt werden, auch auf den Justizbetrieb und auf die Arbeit der Richter zurückzuführen ist. Denn wir haben ja, sehr geehrter Herr Justizminister, in der Zivilprozeßordnung genügend Mechanismen dafür, daß Prozesse ordnungsgemäß und in kurzer Zeit abgewickelt werden können. Sie wissen, jeder Zivilprozeß steht unter der Maxime der Konzentration. Es gibt die Möglichkeiten der Präklusion, der Kostenseparation. Ich will das Hohe Haus nicht mit spezifischen Fachausdrücken belasten. Jedenfalls – und das ist, glaube ich, allgemein verständlich – gibt es für den Richter die Möglichkeit, rasch Termine anzusetzen. Und das vermissen wir in der Praxis. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es sind dies keine Einzelfälle, Herr Minister. Ich bringe Ihnen ein konkretes Beispiel: eine Klage über 2,5 Millionen Schilling, eingebracht 1986. Das Urteil erging 1993. Zwischenzeitig, Herr Minister, ist das Haus des Klägers versteigert worden. Es hat Verhandlungen gegeben in dieser Zeit, die nicht von irgendwelchen Verschleppungsanträgen gekennzeichnet waren. Sie wurden anberaumt, damit sich der Richter überhaupt wieder über den Fall neu orientiert, und nach einer Stunde ist man auseinandergegangen. Das Vermögen der Familie des Klägers ist draufgegangen. Nach rechtskräftiger Erledigung hat er endlich recht bekommen. Es besteht ja in so einem Fall die Gefahr, Herr Minister, daß sich der Richter sagt, naja, eigentlich könnte die Republik in Haftpflicht kommen, da lasse ich den Kläger lieber verlieren. – Es war nicht so in diesem Fall, ich sage nur, daß die Möglichkeit besteht. – In diesem konkreten Fall war es dann so, daß sich der Beklagte nach 1993 mit Schulden in Millionenhöhe abgesetzt hat, und das Haus des Klägers ist endgültig draufgegangen.

Wenn Sie sagen, Herr Minister, das sind die berühmten Einzelfälle, und jeder Anwalt hat solche Einzelfälle, dann entgegne ich Ihnen: In Österreich gibt es 2 500 Anwälte, und wenn jeder Anwalt auch nur einen derartigen Fall hat, wo Vermögen draufgeht durch Untätigkeit der Gerichte, dann ist das ein Mißstand, der von allgemeinem Interesse ist und der abgestellt gehört. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Auer. )

Die Zeit ist schon vorgeschritten. Ich möchte mich noch ganz kurz mit der Frage der Unausgewogenheit bei Vermögensschutz auf der einen Seite und Schutz der körperlichen Integrität auf der anderen Seite befassen. Ich meine, daß der Schutz der körperlichen Integrität viel zu wenig beachtet wird. Aus der Praxis: Der berühmte Fahrraddieb, der ein Wiederholungstäter ist, bekommt 15 Monate, 18 Monate unbedingte Haft, weil es den ungeschriebenen Grundsatz gibt, es kann nicht weniger werden. Gewalttäter hingegen, rohe, brutale Täter, die heute wehrlose Opfer auf der Straße zusammenschlagen, sie mit Füßen treten, sie peinigen und malträtieren, gehen oft mit relativ glimpflichen Strafen nach Hause. Da scheint mir etwas nicht zu stimmen. Eines muß auch hier gelten: Für derartige Täter kann es auch vor Gericht keine Gnade geben. Denn grobes Recht für grobe Taten muß immer noch gelten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.39

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. Sie haben noch eine Redezeit von 19 Minuten. – Bitte.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite