Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 98. Sitzung / Seite 54

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In diesem Jahr tritt auch an der Medizinischen Fakultät das Universitätsstudiengesetz in Kraft, und demnach kommt es zu einer Reform. Nicht mehr die Politiker haben die Verantwortung zu übernehmen, sondern es wird an den einzelnen Fakultäten liegen, wie sie die Studienpläne bis 2002 gestalten werden.

Das Ziel ist klar: Das Studium soll kürzer, moderner und praxisnäher werden. Gefordert wird fächerübergreifender Unterricht, und in erster Linie ist eine Aufwertung der klinischen Fächer angezeigt. Zurzeit dominieren die theoretischen Fächer. Zentrale Fächer wie Kardiologie – also Herzerkrankungen –, Gynäkologie und so weiter kommen im Medizinstudium erst im letzten Abschnitt zum Tragen, und das ist eigentlich der kürzeste Abschnitt.

Man könnte sich zum Beispiel folgendes vorstellen: Wenn das Zentralnervensystem auf dem Stundenplan steht, könnte es gleich von allen Seiten beleuchtet werden: vom Aufbau, von der Neurologie, von der Psychiatrie, von der neurologischen Rehabilitation, von der Neurochirurgie her und so weiter.

Gleichzeitig sollten die Ärzte früher und häufiger mit den Patienten zu tun haben. Die Neuerungen betreffen unter anderem – das möchte ich hier als eine wirkliche Errungenschaft hervorheben – eine verpflichtende Ausbildung in ethischen Fragen. Es geht in der Medizin nicht nur darum, was möglich ist, sondern auch darum, was sinnvoll und den Patienten zumutbar ist, sowie um die Frage, wo eigentlich die technischen Grenzen liegen.

Eine weitere deutliche Ausweitung ist im Praktikumsbereich vorgesehen, dort aber treten Schwierigkeiten auf. Herr Minister! Ich möchte dazu einen Vorschlag machen: Könnte man nicht den Vorschlag aufgreifen, den auch die "F" immer wieder vorbringt – diesen Vorschlag möchte ich hier unterstützen –, nämlich die Landeskrankenhäuser aufzumachen? – Es gibt dort genügend Habilitierte – innerhalb von zwei Jahren sind an den Medizinischen Fakultäten Österreichs 250 Mediziner habilitiert worden. Es gibt dort einen starken Trend, sie nur deshalb zu habilitieren, damit sie später ein Primariat bekommen können. Die Lehre und das Lehren sind in den Hintergrund getreten. Aber es gibt die Chance, an die Landeskrankenhäuser – in Salzburg, in Linz, in St. Pölten oder in Feldkirch, überall dort, wo Habilitierte tätig sind – auch die Lehre, das Lernen und das Praktikum zu verteilen. Das würde ich sehr begrüßen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte darauf aufmerksam machen – weil es mich sehr störte, als ich das las –, daß es im Medizinerbereich 287 ordentliche Professoren gibt, davon jedoch nur 3 Professoren Frauen sind. Das ist eine ganz trübe Angelegenheit, daran müßte man etwas ändern, insbesondere weil es jetzt genau 100 Jahre her ist – 1897 war es –, daß mit Gabriele Possanner von Ehrenthal die erste Frau in der österreichisch-ungarischen Monarchie promoviert wurde.

Sie durfte nicht in Österreich studieren, sondern mußte in der Schweiz, in Zürich, studieren und erhielt dort bereits 1893 ihr Diplom. Erst 1897 durfte sie aufgrund einer Intervention des Kaisers in Österreich promovieren. Denn der Senat hatte 1873 verlautbart, daß Dozenten vieles, was sich für das Ohr der Männer eigne, erst jenem der Frauen, namentlich züchtiger Jungfrauen, anpassen müßten. Daher konnten die Frauen damals noch nicht studieren.

Herr Minister! Ich möchte noch auf etwas hinweisen, das mich persönlich sehr betrübt gemacht hat. Am 13. Jänner 1997 forderte Stadtrat Rieder eine eigene medizinische Universität, und am 27. August haben Sie, Herr Minister, eine Fachhochschule gefordert – ein zweieiiger Zwilling, der zwei verschiedene ideologische Väter hat. "Der Vorschlag des Ministers ist nicht das Papier wert, das man dieser Meldung gewidmet hat" – das sagte daraufhin der Rektor der Uni Graz, Professor Konrad, der schon einmal als SP-Wissenschaftsminister im Gespräch war. Weiters sagte er, daß Ihr Vorschlag eine "Sprechblase" sei.

Ich denke, daß Forschung und Lehre unbedingt verbunden sein müssen. Junge Menschen müssen beides lernen, deshalb haben meiner Ansicht nach die Universitäten durchaus ihren Platz.

Ich denke, daß die Entwicklung bei den medizinischen Universitäten und Fakultäten in diese Richtung gehen sollte, und hoffe, daß die neuen, autonomen Initiativen greifen werden. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

12.29


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