Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 99. Sitzung / Seite 95

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senmäßig noch viel mehr Menschen stehen – es werden täglich noch mehr –, Anspruch hätten, ist, daß dieses Haus eine Entscheidung trifft. Und ich fordere vor allem die sozialdemokratische Fraktion auf – von der ich weiß, daß sie im Prinzip dieses Anliegen unterstützt, da sie selbst einen diesbezüglichen Gesetzentwurf eingebracht hat –, dafür Sorge zu tragen, daß endlich einmal darüber abgestimmt wird. (Beifall bei den Grünen.)

Wir von der Opposition sind es ohnehin schon gewöhnt, daß unsere Anträge auf die lange Bank geschoben oder schubladisiert werden. Dazu kann man sagen: Gut, diese Parteien repräsentieren nicht die Mehrheit in diesem Lande. Aber in diesem Fall hat die Bevölkerung selbst etwas initiiert. Und die Hürde der direkten Demokratie ist in Österreich weiß Gott hoch genug. Es ist nicht leicht, 100 000 Unterschriften zustandezubringen. Das Tierschutz-Volksbegehren hat sogar viel mehr Unterschriften bekommen, und würden wir es heute wiederholen, so zweifle ich nicht daran, daß der Erfolg noch wesentlich größer wäre, denn Ärger und Enttäuschung in der Bevölkerung wachsen.

Was ist seither geschehen? – Das unselige System der Agrarförderungen, Kopfprämien, schreitet voran. In Sachen Konsumentenschutz ist nichts passiert. Wir haben keine verbindliche Deklaration. Das betrifft auch den Umweltminister, der sich aber diese Debatte lieber nicht anhört. Von einer bundeseinheitlichen Regelung – mit strengen Mindeststandards zum Schutz der Tiere – ist weit und breit keine Rede. Tagtäglich – Ihnen werden diese Vorfälle auch berichtet – hören wir von skandalösen Vorkommnissen. Diese gibt es nach wie vor im riesengroßen Nutztierbereich, aber auch – und davon redet die ÖVP ja immer – bei der Heimtierhaltung und in den Tierhandlungen. Es gibt nach wie vor schreckliche Bedingungen in nichtkontrollierten Zuchtbetrieben. – Man denke nur an die fürchterlichen Pelztierzuchten, an die Zirkusse und Schaustellereien, wo Wildtiere unter erbärmlichen Bedingungen eingepfercht werden.

Wenn es darum geht, Strafen zu verhängen, dann passiert in Österreich immer wieder dasselbe: In dem Moment, in dem endlich einmal nach vielen Vorstößen der Tierschutzbewegung irgendeine Behörde aktiv wird – zum Beispiel, weil dort ein aktiver Tierschützer, eine Tierschützerin sitzt –, verlegt das Unternehmen oder dieser Zirkus, dieser Wanderzirkus seinen Sitz, seinen Standort ins nächste Bundesland, und das Karussell beginnt von neuem. Die Ermittlungen der Behörde im ersten Bundesland gehen ins Leere, weil niemand mehr da ist, und im zweiten Bundesland muß all das – die Überzeugungsarbeit, die Sachverhaltsfeststellung, die Einschaltung von Experten und so weiter – wieder von neuem beginnen. In Wirklichkeit ist das eine Materie, bei der die Regierung strukturell und institutionell dafür sorgt, daß Tierschutz in Österreich nicht vollziehbar ist. (Beifall bei den Grünen.)

Gerade im Lichte der heutigen Debatte, die wir vorhin beim Budgetkapitel Landwirtschaft hatten, ist es doppelt bedauerlich, mit welcher Doppelgesichtigkeit, mit welcher Doppelzüngigkeit die ÖVP da ans Werk geht. Das ist wirklich bemerkenswert! In Österreich sorgt man mit einem legistischen Fleckerlteppich, bei dem sehr, sehr große Unterschiede zwischen den Bundesländern bestehen, dafür, daß die Materie unvollziehbar ist, aber auf internationaler Ebene, im EU-Bereich, will man die Entscheidungen – noch dazu bei den Agrarbehörden, bei der Landwirtschaftslobby – monopolisieren. – Tierschutz unter dem Aspekt der Fleischkadaver! Das ist offenbar Ihr Aspekt von Tierschutz. Das Tier wird als Ware angesehen, die Vermarktung steht im Vordergrund und nicht das Lebewesen, das Mitgeschöpf Tier. Und das ist gerade für eine Partei, die früher einmal den Anspruch erhoben hat, eine christliche zu sein, ein bodenloser Skandal! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Ing. Langthaler: Die lassen jetzt die Wale patentieren!) Dazu kommt, daß die Vorsitzende des Gentechnik-Unterausschusses, Frau Rauch-Kallat, jetzt schon, bevor der Ausschuß mit seinen Beratungen überhaupt zu Ende gekommen ist, weiß, daß sie für die Patentierung von Lebewesen ist. Das reiht sich wie ein Mosaikstein an den anderen. Alle Vorstöße – kleinere, größere – in Sachen Tierschutz werden von Ihnen abgeblockt. Sie machen die Mauer für eine mittlerweile brutale und nicht mehr mitfühlende Lobby zur Ausbeutung von Tieren. Sie wissen aber auch ganz genau – wobei Sie da mitgehen –, daß Tiere den letzten Respekt, den letzten Wert als Geschöpfe verlieren und daß Sie dann als Patentnummern in einem europäischen Patentregister aufscheinen. – Weit hat es eine christlich-soziale Partei gebracht!


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