Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 102. Sitzung / Seite 23

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Es wird maßgeblich in das demokratische Bauprinzip unserer Bundesverfassung eingegriffen, daneben auch in das parlamentarische Bauprinzip. Der wichtigste Einwand lautete, daß die Einflußnahme von Vollzugsorganen auf den Gang der Gesetzgebung mit unseren Verfassungsstrukturen unvereinbar ist. Auch ist eine parlamentarische Verantwortlichkeit der Vertreter des Österreichischen Städtebundes und des Österreichischen Gemeindebundes gegenüber allgemeinen Vertretungskörpern, wie sie unser Verfassungssystem vorsieht, nicht vorhanden.

Professor Brünner hat des weiteren nachgewiesen, daß die Regelung, die vorgeschlagen wurde, einen maßgeblichen und tiefen Eingriff in das gewaltentrennende Prinzip unserer Bundesverfassung darstellt; auch in das bundesstaatliche Prinzip unserer Bundesverfassung, meine Damen und Herren. Die Regelung, daß in Zukunft auf Länderebene Verfassungsrecht mit einfacher Mehrheit verändert werden kann, zeigt, welchen Mißbrauch diese Koalition mit der Bundesverfassung betreibt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es geht nämlich um eine "Lex Wien" und eine "Lex Kärnten". In diesen beiden Bundesländern haben nämlich Rot und Schwarz nicht mehr die für Verfassungsgesetze erforderliche Mehrheit und müssen fürchten, in Verfassungsfragen von der Opposition überstimmt zu werden, sodaß man erstmals den Weg geht, das grundsätzliche Rechtserzeugungsquorum für Verfassungsrecht, nämlich die Zweidrittelmehrheit, zu verlassen und auf die einfache Mehrheit auch bei Verfassungsrecht überzugehen.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Sie haben immer wieder mit durchaus berechtigtem Stolz darauf hingewiesen, daß Ihnen die tragenden Prinzipien unserer Verfassung und die tragenden Prinzipien unserer demokratisch verfaßten Grundrechtsordnung ein Anliegen sind. Warum Sie jetzt gegenüber der Österreichischen Volkspartei, die das aus durchsichtigen Motiven will, nachgeben und diese tragenden Prinzipien opfern, obwohl sogar Ihr eigener Präsident vor dem Weg, der da begangen werden soll, in Einklang mit namhaften Verfassungsjuristen gewarnt hat, ist mir schleierhaft. Nur um des Koalitionsfriedens willen sollte man das nicht machen. Man sollte die Verfassung nicht mit Füßen treten, nur weil Herr Khol und ein paar Landeshauptleute das wollen! (Beifall bei den Freiheitlichen.) So sollte man mit unserer Verfassung nicht umgehen. Man sollte insbesondere nicht Spezialbestimmungen für zwei Bundesländer aufnehmen, in denen man sich gegenseitig nicht mehr zur Verfassungsmehrheit verhelfen kann.

Meine Damen und Herren! Es kommt auch ein gravierender Einwand aus der Wissenschaft, was das rechtsstaatliche Prinzip anlangt: Die Änderung der Kompetenzlage im Bundesstaat durch Gliedstaatsverträge ist nach ständiger Judikatur des Verfassungsgerichtshofes völlig unzulässig! Der Verfassungsgerichtshof hat eindeutig festgelegt, daß die Kompetenzlage zwischen Bund und Ländern durch Gliedstaatsverträge nicht verändert werden kann. Aber genau dieser Weg soll jetzt beschritten werden.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es nützt nichts, daß Sie festgehalten haben, daß das quasi eine neue Form der Gliedstaatsverträge sei, ein Quasi-Artikel-15b-Gliedstaatsvertrag. Letztlich ändert es nichts daran, daß man mit einem Gliedstaatsvertrag, der zudem noch Gebietskörperschaften als Vertragspartner mit aufnimmt, die diese Staatsvertragsqualität an sich gar nicht hätten, die Kompetenzlage zwischen Bund und Ländern – diesmal zu Lasten des Bundes – verschiebt.

Meine Damen und Herren! Wir müssen uns dagegen wehren, daß wir die Zuständigkeit als Finanzverfassungsgesetzgeber auf die Landeshauptleutekonferenz, auf die Landesfinanzreferentenkonferenz oder auf irgendeinen Konsultationsmechanismus verlagern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In diesem Zusammenhang wäre einmal ein Blick über den Koalitionszaun erforderlich, um zu sehen, daß da ein unglaublich schlechter Umgang mit der Bundesverfassung Platz greift.

Die Delegation von Bundesverfassungsgesetzgebungs-Zuständigkeiten an die Konsultationsgremien halte ich für einen unerträglichen Umgang. Ich befinde mich mit dieser meiner Auffassung in Einklang mit namhaften Vertretern der österreichischen Rechtswissenschaft, die vor diesem Weg warnen. Sie warnen davor, dies aus durchsichtigen koalitionären Gründen, nämlich um die


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