Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 102. Sitzung / Seite 121

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

ob im privaten oder öffentlichen Bereich, allen Einwohnern gewährleistet ist, unabhängig davon, ob diese Gemeinschaft als Religionsgemeinschaft anerkannt ist oder nicht. Und ich verweise hier insbesondere auch auf die Bestimmungen des Staatsgrundgesetzes und die Europäische Menschenrechtskonvention, die von einem individuellen Recht auf Religionsausübung ausgeht.

Wenn wir heute über ein Bundesgesetz debattieren, das die Rechtspersönlichkeit religiöser Bekenntnisgemeinschaften regelt, dann ist eines vorweg sehr deutlich zu sagen: Es ist nicht Aufgabe des Staates und es ist nicht Aufgabe der Politik, den Menschen vorzuschreiben oder ihnen zu empfehlen, woran sie zu glauben haben oder gar woran sie glauben dürfen. Vielmehr geht es um die Sicherstellung des individuellen Rechtes, Religion frei auszuüben, ob im privaten oder im öffentlichen Bereich. Es ist aber auf der anderen Seite sehr wohl die Aufgabe des Staates, sicherzustellen, daß durch solche Gemeinschaften Menschen kein Schaden entsteht, daß sie weder finanziell noch ideell oder sexuell ausgebeutet werden, daß es zu keinen Beeinträchtigungen der psychischen Entwicklung von Jugendlichen kommt, daß es zu keiner Verletzung der psychischen Integrität kommt.

Der liberale Rechtsstaat und die offene Gesellschaft können und dürfen nicht zulassen, daß Menschen unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit Schaden nehmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wenn der Staat und damit die Gesellschaft so etwas wie ein staatliches Gütesiegel in Form des Anerkennungsgesetzes aus 1874 oder in Form dieses neuen Bundesgesetzes über die Rechtspersönlichkeit von Bekenntnisgemeinschaften vergibt, dann muß man auch sicherstellen, daß nur jene Gemeinschaften ein solches staatliches Gütesiegel erhalten, die Menschen nicht in irgendeiner Art und Weise ihrer Freiheits- und Grundrechte berauben. Und das stellt auch der § 5 in dem heute zur Beschlußfassung vorliegenden Gesetz sehr eindeutig fest. In diesem wird nämlich einerseits der Artikel 9 der Menschenrechtskonvention wörtlich zitiert, andererseits heißt es darüber hinaus, daß jenen Gruppierungen eine Rechtspersönlichkeit zu untersagen ist, die die psychische Entwicklung von Heranwachsenden durch die Verletzung der psychischen Integrität und durch die Anwendung psychotherapeutischer Methoden zum Zwecke der Glaubensvermittlung gefährden.

Das ist unserer Meinung nach der richtige Weg, und ich bin sehr froh über diese Klarstellung.

Frau Kollegin Madl! Sie stellen die Diskussion im Ausschuß ganz anders dar, als sie de facto war, denn Sie haben ja diesem unserem Entwurf sehr wohl zugestimmt. (Abg. Madl: In Unkenntnis der Verfassungslage! – Abg. Dr. Graf: Sie haben der Werkvertragsregelung auch zugestimmt!) Sie haben diesem Entwurf zugestimmt, und es gibt Übereinstimmung im Hohen Haus darüber, daß sogenannten Sekten – bei aller Problematik dieses Begriffes, aber ich gehe davon aus, daß wir alle wissen, was damit gemeint ist –, daß solchen Gruppierungen der Kampf anzusagen ist und daß man solchen Gruppierungen massiv entgegentreten muß. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Man wird ja gescheiter werden dürfen!)

Ich möchte Ihnen aber auch ausdrücklich sagen, daß man dem, was man heute im "religiösen Supermarkt" findet, auch mit entsprechenden Zahlen entgegentreten muß, um sicherzustellen, daß nicht jede x-beliebige Gruppierung, die daherkommt, jenes staatliche Gütesiegel in Form der Anerkennung erhalten kann, und deshalb ist es auch erforderlich, eine Mindestzahl festzulegen, wie wir das in diesem Bundesgesetz tun.

Am vergangenen Samstag ist in den "Salzburger Nachrichten" ein sehr interessanter und, wie ich meine, auch objektiver Bericht von Josef Bruckmoser zu diesem neuen Bundesgesetz erschienen, und ich zitiere daraus:

"Im österreichischen Parlament stimmen die Abgeordneten kommende Woche über ein neues Religionsgesetz ab, das unter anderem darauf zielt, Organisationen wie Scientology die Anerkennung als Religion verweigern zu können. Insofern ist richtig, was Kritiker dem Gesetzentwurf vorwerfen, es ist nicht nur ein neues Anerkennungsgesetz, sondern auch ein Verhinderungsgesetz."


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite