Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 102. Sitzung / Seite 139

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Dr. Kier. ) Ich finde es unerhört, wenn man in diesem Zusammenhang von Inquisition spricht!

Herr Abgeordneter Öllinger! Sie haben sich so sehr an der positiven Grundeinstellung gegenüber Gesellschaft und Staat gestoßen. Es geht aber darum, daß diese Bekenntnisgemeinschaften die Anerkennung des Staates wollen, und wenn sie die Anerkennung des Staates wollen, dann werden sie diesem Staat gegenüber doch eine positive Grundeinstellung haben, denn sonst brauchen sie die Anerkennung dieses Staates nicht. (Beifall bei der ÖVP.)

Von den Freiheitlichen bin ich auch etwas enttäuscht. Im Ausschuß haben sie einen sehr guten Abänderungsvorschlag eingebracht, den wir unterstützt haben. Dieser ist durch den Ausschuß gegangen, und die Freiheitlichen haben dort erklärt, daß sie diesem Gesetz die Zustimmung geben werden. Heute ist offenbar wieder alles anders. Das ist schade. Wir hätten uns gefreut, wenn ihr diesem Gesetz zugestimmt hättet, denn das ist ein wichtiger Schritt. (Beifall bei der ÖVP.)

20.27

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der vorläufig letzte Redner in dieser Debatte ist Herr Abgeordneter Dr. Stippel. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.27

Abgeordneter Dr. Johann Stippel (SPÖ): Herr Präsident! Sehr verehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Als Sozialdemokrat möchte ich die Feststellung treffen, daß Sozialdemokratie und Religion keine Gegensätze darstellen. Vielmehr achten wir das Bekenntnis zu einem religiösen Glauben ebenso wie zu einer nicht religiösen Weltanschauung als innerste persönliche Entscheidung jedes einzelnen Menschen. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Daher stehen wir diesem Gesetzentwurf positiv gegenüber, und das insbesondere deshalb, weil drei wichtige Grundvoraussetzungen, die mein Kollege Antoni schon genannt hat, für unsere Zustimmung vorliegen. Ich wiederhole diese: Es darf keinen psychotherapeutischen Druck auf Mitglieder geben, ein Ein- und Austreten muß ohne Probleme möglich sein, und es darf auch keinerlei Repressalien wirtschaftlicher und sozialer Art bei einem Austritt geben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf ist dem Vereinsgesetz nachgebildet, das bekanntlich die Gründung von Religionsgesellschaften untersagt, wird jedoch strenger gehalten – auch das ist kritisiert worden –, etwa betreffend die Anzahl der Mitglieder. In diesem Entwurf wird der Erwerb der Rechtspersönlichkeit für eine religiöse Bekenntnisgemeinschaft normiert, und dieser Erwerb der Rechtspersönlichkeit ist wiederum die Voraussetzung für die Anerkennung einer Religionsgemeinschaft als gesetzlich anerkannte Kirche und Religionsgesellschaft. Derzeit gibt es, wie in dieser Debatte schon erwähnt wurde, zwölf in Österreich.

Durch die Anerkennung gemäß dem Gesetz, das wir heute zu beschließen haben, erlangt man sozusagen eine hervorgehobene Position als Bekenntnisgemeinschaft. Es liegen derzeit bekanntlich über 20 Anträge im Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten vor, und bis vor kurzem gab es diesbezüglich verschiedene Rechtsansichten der Höchstgerichte. Mit dem Erkenntnis vom 28. April dieses Jahres hat sich der Verwaltungsgerichtshof aber der Rechtsmeinung des Verfassungsgerichtshofes angeschlossen.

Bei Antrag auf Anerkennung nach dem Anerkennungsgesetz von 1874 ist entweder eine Anerkennungsverordnung oder ein ablehnender Bescheid zu erlassen. Das heißt, es besteht ein durchsetzbarer Rechtsanspruch, dem die gesetzlichen Anerkennungsvoraussetzungen des Gesetzes von 1874 allerdings nicht mehr entsprechen. Es ist also notwendig, diese Gesetzeslücke zu schließen, und das soll mit dem heute zum Beschluß vorliegenden Gesetzentwurf geschehen.

Wichtig ist – auch das wurde bereits hervorgehoben –, daß es keinerlei Verfassungsbestimmungen im Gesetz gibt. Das heißt, daß jederzeit die Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof gegeben ist, und es gibt jedenfalls auch keinerlei Eingriffe in bestehende Grundrechte.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite