Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 104. Sitzung / Seite 93

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Entgegen den sich nunmehr abzeichnenden Intentionen der Regierungsparteien im Rahmen der sogenannten ,erweiterten Partnerschaft für den Frieden‘ (pfp-plus), die als Warteraum und Vorbereitungsorgan für beitrittswillige Oststaaten der ehemaligen WVO gedacht ist, das sicherheitspolitische Auslangen für die nächsten Jahre zu finden, wäre daher der Vollbeitritt Österreichs zur NATO anzustreben. Vor allem, weil diese neue Form der Partnerschaft nur Verpflichtungen (Fähigkeit und Bereitschaft zur Führung von Kampfeinsätzen bei Krisen) ohne Schutz des Bündnisses durch die Beistandsgarantie (Artikel 5) bringt.

WEU-Beitritt ist ohne NATO-Mitgliedschaft nicht möglich

Die von der Regierung im Koalitionsübereinkommen vorgesehene Prüfung eines WEU-Beitrittes erscheint sowohl im Hinblick auf die Ziele der EU-Konferenz 1996 als auch auf die österreichischen Sicherheitsinteressen als nicht ausreichend und kommt wie immer zu spät. Eine alleinige WEU-Mitgliedschaft Österreichs ohne gleichzeitigen Beitritt zur NATO wird auch, wie zahlreiche Experten in der parlamentarischen Enquete ,Perspektiven der europäischen Sicherheitsstruktur und die Rolle Österreichs‘ eindeutig dargelegt haben, nicht möglich sein. Österreich ist daher im Interesse seiner Sicherheit und entsprechend den Zielen seiner europäischen Positionierung gefordert rasch zu handeln.

Die Regierung hat hier, wie im Falle der NATO, darauf nur insofern reagiert, als sie die Verpflichtungen der ,Petersberger Missionen‘, die auch Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung vorsehen, bereit ist zu übernehmen. Sie hat dies durch die österreichische Grundsatzposition für die Regierungskonferenz (1996) und durch die Zustimmung zum Artikel J.7, der eine Weiterentwicklung der GASP unter Einbeziehung der WEU vorsieht, im Entwurf des Vertrages von Amsterdam manifestiert. Hiermit wurden wieder Pflichten übernommen, ohne einen unmittelbaren Sicherheitsgewinn – durch die starke Beistandsgarantie des Artikel 5 der WEU – zu erzielen.

Die Neutralität ist obsolet (und teuer)

Auch wenn viele Anhänger einer sicherheitspolitischen Isolation Österreichs oder einer Orientierung an den Interessen Moskaus noch immer am Relikt des Kalten Krieges – Neutralität – festhalten wollen, so ist dieses dennoch mehr als überholt. Sowohl internationale wie nationale Experten und Politiker bescheinigen ihr zwar eine Rolle während der Zeit des Ost-West-Konfliktes, für die Fragen von morgen hat sie aber keinerlei sicherheitspolitische Relevanz. Selbst in der EU ist ein Sonderstatus für Neutrale weder möglich noch gewünscht (Hänsch, ,Kurier‘ vom 18. März 1996), wie die Verhandlungen im Zusammenhang mit dem österreichischen Beitritt und das Ergebnis der Regierungskonferenz von Amsterdam gezeigt haben. Darüber hinaus bedeutet ernstgenommene Neutralität aber nicht nur politische Isolation, sondern auch vermehrte Verteidigungsausgaben, die weit über dem österreichischen Standard beziehungsweise auf oder über dem Durchschnitt vergleichbarer NATO-Mitgliedsstaaten liegen, wie die Beispiele Schweiz, Schweden und Finnland einerseits sowie Belgien und Dänemark andererseits klar darstellen.

Ehrliche Information der Bürger wäre notwendig

Die österreichische Bundesregierung ist daher nicht nur gut beraten, sich rasch von Konzepten der Vergangenheit zu trennen, sondern auch an der Entwicklung in Europa vollberechtigt mitzuwirken. Es wäre ihre Pflicht, den Bürgern mitzuteilen, daß wir zwar als ,Neutraler‘ in die Europäische Union gegangen sind, aber dort höchstens als ,Bündnisfreier‘ angekommen sind. Eine Tatsache, die die Regierungen Schwedens und Finnlands gelassen aussprechen.

Es wäre aber auch dringend an der Zeit, die Bürger über den wahren Status Österreichs in Fragen der Sicherheitspolitik aufzuklären. Vor allem deshalb, da dieser ,schleichend‘ und unter Umgehung des Parlaments eingenommen wurde. Durch den Abschluß des Rahmenübereinkommens mit der NATO (pfp) ohne Staatsvertrag im Sinne des Artikels 50 B-VG und den sich aus der Vollziehung dieses Abkommens ergebenden notwendigen Maßnahmen, wie der Übernahme des Truppenstatuts der NATO (SOFA), wurden und werden Schritte gesetzt, die mit der Neutralität nach ,Schweizer Muster‘, wie sie für Österreich zumindest formell noch immer verbindlich ist, nicht vereinbar sind. Die Anfragesteller vertreten zwar keinesfalls den Standpunkt, daß


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