Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 104. Sitzung / Seite 106

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Die Antwort darauf ist: Ja. – Es ist allerdings gleichzeitig festzuhalten, daß der Vertrag von Amsterdam im Artikel J. 7 Ziffer 1 vorsieht, daß ein Beschluß im Zusammenhang mit den in Ziffer 2 näher beschriebenen Krisenmanagementaufgaben, den sogenannten Petersberger Aufgaben, durch den Europäischen Rat erfolgt, und dieser empfiehlt in diesem Fall den Mitgliedstaaten, einen solchen Beschluß gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften anzunehmen. Auch die einschlägigen Bestimmungen der WEU, die beim WEU-Ministerrat in Erfurt am 18. November verabschiedet wurden, sehen vor, daß es keine zwangsweise automatische Teilnahme an solchen Operationen gibt. Jedes EU-Mitglied hat aufgrund seiner nationalen und souveränen Entscheidung festzustellen, ob es sich an einer konkreten Operation beteiligt oder nicht, und hat das anhand der konkreten Situation, das heißt des vorliegenden Falles, auch entsprechend festzustellen.

Die nächste Frage, die Sie gestellt haben, lautet: Ist der Beitritt zur WEU aus faktischer Sicht möglich, ohne gleichzeitig Mitglied der NATO zu werden?

Da gehen die Meinungen auseinander. Die überwiegende Mehrheit meint allerdings, daß es faktisch nicht möglich ist, zu differenzieren, das heißt, daß es nicht möglich ist, der WEU beizutreten, ohne gleichzeitig der NATO beizutreten. Wie gesagt, die Meinungen gehen in dieser Frage auseinander: Frankreich vertritt den Standpunkt, es wäre sehr wohl möglich. (Abg. Mag. Stadler: Die ÖVP hat auch lange diesen Standpunkt vertreten!) Inoffiziellen Gesprächen – das muß man dazusagen –, also nichtoffiziellen Stellungnahmen der meisten anderen EU-Staaten kann man aber entnehmen, daß das insoferne wahrscheinlich kaum Aussicht auf Berücksichtigung hat, als einerseits die WEU selbst ja nicht beabsichtigt, eine zweite Infrastruktur für Europa aufzubauen, sondern vorsieht, sich im Krisenfall der Infrastruktur der NATO zu bedienen, die WEU selbst auch die Funktion eines Scharniers zwischen der Europäischen Union und der NATO ausübt und auf der anderen Seite auch die NATO ja bereit ist und in ihren Berliner Beschlüssen aus dem Vorjahr festgestellt hat, daß sie sich selbst als die Organisation ansieht, in der sich die europäische Sicherheits- und Verteidigungsidentität herausbilden soll, sodaß eigentlich die überwiegende Anzahl der Mitgliedsländer davon ausgeht, daß eine Vollmitgliedschaft parallel erfolgen sollte.

Die nächste Frage, die Sie gestellt haben, lautet, ob meiner Ansicht nach Österreich so rasch wie möglich NATO-Mitglied werden soll.

Ich habe mich dazu bekannt, daß ich das, was in der Regierungserklärung und im Regierungsübereinkommen festgelegt worden ist, nämlich daß Bundeskanzler, Außenminister und Verteidigungsminister spätestens im ersten Quartal des nächsten Jahres einen sogenannten Optionenbericht abgeben werden, auch was den Zeitplan betrifft, selbstverständlich mittrage. Ich habe andererseits nie einen Zweifel darüber gelassen, daß ich der Meinung bin, daß es dann zu einer klaren Weichenstellung kommen soll. Mit dem Zeitplan und mit einer derartigen Vorgangsweise wäre ich voll einverstanden.

Ihre nächste Frage lautet: Welche Nachteile ergeben sich daraus, daß Österreich bisher nicht der NATO als Mitglied beigetreten ist?

Dazu muß ich sagen: Eine Beantwortung, die für die gesamte Regierung tatsächlich aussagekräftig ist, ist sicherlich erst bei Vorliegen des Optionenberichtes zu erwarten, nämlich dann, wenn es da abgestimmte Meinungen gibt. Aus meiner Sicht kann ich sagen, daß man, solange man nicht Mitglied ist, eben keine Möglichkeit hat, mitzureden; das habe ich heute bereits angesprochen. Das heißt, daß wichtige sicherheitspolitische Entscheidungen ohne unsere Einflußnahme fallen. Das ist wahrscheinlich gravierend für die Frage, wann eine derartige Entscheidung erfolgen sollte. Wir müssen davon ausgehen, daß wichtige sicherheitspolitische Weichenstellungen in Europa in den nächsten Jahren erfolgen werden, wie etwa am Balkan, aber auch im Verhältnis zwischen Westeuropa und Rußland oder der Ukraine.

Insofern ist die Frage, wann eine derartige Entscheidung erfolgen sollte, nicht gleichgültig. Man kann nicht davon ausgehen, daß sie irgendwann erfolgen sollte, sondern man muß bedenken, daß natürlich auch die eigenen Entscheidungen durch Entscheidungen anderer präjudiziert wer


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