Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 104. Sitzung / Seite 171

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men und Herren! Terrorismus und die organisierte Kriminalität nehmen aufgrund der modernen technologischen Möglichkeiten an Umfang und Bedeutung in ganz besonderem Maße zu. Die organisierte Kriminalität in den westeuropäischen Staaten wird so gefährlich – ich möchte sagen: beinahe existenzbedrohend –, daß die Politik, aber auch die Strafverfolgungsbehörden umdenken müssen und sich nicht nur auf reines Reagieren beschränken dürfen.

Meine Damen und Herren! Auch in Österreich nimmt der Bereich der organisierten Kriminalität sehr bedenkliche Formen an. Der Anteil der organisierten Kriminalität an der Gesamtkriminalität beträgt zwischen 30 und 35 Prozent. Es ist leider Gottes zu befürchten, daß sich diese Tendenz noch verschlechtern wird. Ich bin daher der Meinung, daß die organisierte Kriminalität in Europa besser denn je blüht. Die Gewinne aus dem organisierten Verbrechen sind beträchtlich. Den volkswirtschaftlichen Schaden, der durch organisiertes Verbrechen eintritt, muß zweifellos jeder einzelne der Bürgerinnen und Bürger bezahlen, weil zwangsläufig die Versicherungsprämien angehoben werden müssen.

Meine Damen und Herren! Was das organisierte Verbrechen an Schaden anrichtet, möchte ich am Beispiel Rußland ganz kurz aufzeigen. Laut russischem Innenministerium gibt es in Rußland an die 8 000 kriminellen Vereinigungen: 8 000 kriminelle Vereinigungen, die legale wirtschaftliche und soziale Institutionen unterwandern, kriminelle Vereinigungen, die in Privatisierungsprogramme eingreifen und Einfluß auf private Unternehmen nehmen. Damit schrecken sie Investoren aus dem Ausland ab.

In Rußland sind etwa 35 000 Unternehmer und 400 Banken der organisierten Kriminalität zuzurechnen. Rund 80 Prozent der privaten Unternehmer müssen zwischen 10 und 20 Prozent ihrer Einkünfte an Verbrecherbanden bezahlen. Daraus sieht man, welche Bedeutung die organisierte Kriminalität für einen Staat hat und welche verheerenden Auswirkungen dadurch gegeben sind.

Wenn man nach Rußland sich Italien näher ansieht, so zeigt eine kürzlich erschienene Studie, daß das organisierte Verbrechen in Italien Geschäfte, Firmen und Finanzinstitute kontrolliert. Laut dieser Studie werden 20 Prozent der Baufirmen, 20 Prozent der Einzelhandelsgeschäfte, 25 Prozent des landwirtschaftlichen Großhandels und 50 Prozent der Finanzinstitute in Italien vom organisierten Verbrechen kontrolliert.

Meine Damen und Herren! Dieser Studie ist wirklich zu entnehmen, welche Auswirkungen die organisierte Kriminalität auf einen Staat hat. Herr Abgeordneter Moser! Aus diesem Blickwinkel muß man die heutige Abstimmung zum EUROPOL-Übereinkommen sehen. Verehrter Abgeordneter Moser! Ihre Ablehnung des EUROPOL-Übereinkommens kann ich nur so werten, daß Sie heute, an diesem "moserischen" Tag, zweifellos zu viele Themen im Kopf haben. Aber dafür habe ich heute Verständnis. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Sehr gut, Günther!)

Meine Damen und Herren! EUROPOL ist im Aufbau begriffen. Insgesamt stehen 120 Verbindungsbeamte aus den EU-Ländern zur Verfügung, die aber keine operative Tätigkeit durchführen, wie heute hier behauptet wurde. Ich kritisiere aber, daß Österreich derzeit nur zwei Verbindungsbeamte in Den Haag hat. Herr Minister! Ich bin der Meinung, daß mit diesen beiden Beamten nicht das Auslangen gefunden werden kann. Daher ersuche ich Sie, entsprechende Vorkehrungen zu treffen, damit künftig mehr gut geschulte und mehr gut trainierte Verbindungsbeamte von Österreich nach Den Haag geschickt werden, damit das Informationssystem hierher nach Österreich ebenfalls gut funktioniert. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Abschließend möchte ich kurz anhand eines Beispieles die Notwendigkeit des EUROPOL-Übereinkommens unterstreichen. In Italien wurde gegen eine Mafia-Gruppierung, die weltweit im Drogenhandel und im Bereich der Waffenschieberei tätig war, ein Verfahren eingeleitet. Dieses Verfahren wurde von den Verbindungsbeamten in Den Haag durch Informationsaustausch unterstützt. Durch diese Informationen, aber auch durch die internationale Zusammenarbeit konnten andere Staaten eigene Ermittlungsverfahren durchführen und dort ansässige Straftäter festnehmen. Es wurden daraufhin Ermittlungen in Italien, Spanien, in den Niederlanden, in Belgien und Deutschland durchgeführt. Schließlich wurden insgesamt


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