Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 104. Sitzung / Seite 192

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Da fängt einmal das Grundsätzliche an: Ich meine, daß die Justiz eine zu heikle Materie ist, als daß man deshalb, weil Beamte – mag es auch noch so zutreffen – überlastet sind, einfach einen Teil der Instanzenanrufungsmöglichkeiten wegnimmt, einfach die Einzelfallgerechtigkeit entsprechend reduziert.

Wenn man heutzutage wirklich feststellen muß, daß in ganz besonders wichtigen Bereichen der Justiz – der Oberste Gerichtshof gehört zweifellos zu diesen Bereichen – zu viel zu tun ist, daß auf die einzelnen Referenten in den Senaten zu viele Akten entfallen, dann muß man sich etwas anderes einfallen lassen. Meinetwegen muß man vier, fünf, sechs oder sieben Planstellen für einen weiteren Senat dazunehmen; darauf wird es wirklich nicht ankommen. Aber ich kann mir wirklich nicht vorstellen, daß man auf Dauer so vorgeht, daß man dann, wenn man den Eindruck hat, da seien Mitarbeiter, die zu viel zu tun haben, einfach den Instanzenzug weitgehend einschränkt und damit die Einzelfallgerechtigkeit ganz deutlich reduziert. Das ist ein Weg, den zu gehen mir sehr bedenklich erscheint; ich wiederhole das. Und das wird sich – aus der Praxis heraus beobachtet – nachteilig auswirken, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Um ganz konkret zu werden – ich möchte mir und vor allem auch Ihnen die sehr komplizierten Regelungen zu erzählen ersparen –: Alles in allem wird es eine absolute Wertuntergrenze von 260 000 S für die Anrufung des Höchstgerichtes geben; derzeit sind es 50 000 S. Das ist also eine Verfünffachung, das muß man sich einmal vorstellen! Das bedeutet zunächst einmal, daß auf diesem Sektor ausgeräumt wird. Das heißt, mit 50 000 S war das noch ein Streitwert, den ein "normaler" Bürger auch irgendwann einmal erlebt hat; aber bei 260 000 S heißt das, der Oberste Gerichtshof ist, wenn man das etwas "locker" formuliert, in Zukunft nur mehr für die "reichen Leute" da. Die, die um weniger prozessieren, weil sie nicht um viel prozessieren können, weil sie nicht viel haben und auch nicht viel zu bekommen haben, haben keine Chance, zum Obersten Gerichtshof zu gelangen!

Das führt aber nicht nur zu dem Umstand, daß denen, die nicht wirklich um viel Geld prozessieren, die dritte Instanz verschlossen bleibt, sondern das führt auch dazu, daß bei den vier Oberlandesgerichten in allen übrigen Angelegenheiten Endstation ist. Das heißt: In Innsbruck, Linz, Graz, Wien ist in Zukunft für die meisten Zivilprozesse, wenn sie überhaupt dort hinkommen, Endstation. Das führt natürlich zu einer regionalen Differenzierung der Rechtsprechung, was auch nicht gerade unbedenklich erscheint. Also nicht nur, daß man nicht mehr bis zum OGH hinaufkann, ist es auch noch so, daß sich die Rechtsprechung – wie das in Strafsachen heute schon der Fall ist – nun auch in Zivilsachen auseinanderentwickeln wird.

Man hat sich überall bemüht, Euro-gerecht umzurechnen, das heißt, alles muß durch 13 dividierbar sein. Man hat dabei offensichtlich übersehen, daß man mittlerweile schon mit 14 rechnen müßte, weil ja die Relation nicht mehr 1 zu 13 sondern 1 zu 13,85 oder 13,95 oder ähnlich ist, aber so ist man auch auf die merkwürdigen 260 000 S als Untergrenze gekommen.

Man hat dabei völlig übersehen, daß man auf diese Art und Weise in einer ganz wichtigen Materie überhaupt nicht mehr zum Obersten Gerichtshof kommt, nämlich überall dort – und das ist den Politikern sehr wohl bekannt –, wo es um den Komplex Widerruf einer Behauptung, Unterlassung dieser Behauptung und Veröffentlichung des Widerrufes geht. Da ist eine Höchstwertgrenze eingezogen worden.

Ich habe den Eindruck, manche Herren im Ministerium haben nicht wirklich realisiert, daß das da dazupaßt, weil man mir in der Ausschußsitzung widersprochen hat: Aber deshalb, weil manche früher mißbräuchlich erpresserisch hohe Streitwerte eingesetzt haben – ein Baumeister, kann ich mich erinnern, hat einmal einen Journalisten "niedergebügelt", indem er mit einem Streitwert von 200 Millionen Schilling geklagt hat –, wurde jetzt einmal die Grenze mit 240 000 S eingezogen, das heißt, auf diesem Sektor wird man in Zukunft nicht den Obersten Gerichtshof anrufen können. Das ist außerordentlich bedauerlich, weil es sich um eine wichtige Materie handelt. Die Rechtsprechung wird sich also auseinanderentwickeln, eben je nach Oberlandesgerichtssprengel. Ich meine, man muß da vorsichtiger vorgehen, als das derzeit der Fall ist.


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