Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 104. Sitzung / Seite 198

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hofes bemüht, das die Oberlandesgerichte abdeckt, und innerhalb dieses "Daches" soll sich dann eine einheitliche Rechtsprechung festigen beziehungsweise entwickeln.

Frau Kollegin! Schauen Sie sich doch bitte diese Novelle an! Eines ist klar, nämlich die Grenze von 260 000 S, und man kann es drehen und wenden, wie man will: Wenn das Oberlandesgericht nicht will, dann ist bei einem Streitwert bis 260 000 S beim Oberlandesgericht Schluß. Das ist vollkommen klar. Nur über 260 000 S ist die Gewähr gegeben, daß man über das Rechtsmittel einer außerordentlichen Revision in jedem Fall zumindest bis zum Obersten Gerichtshof kommt.

Nun hat der Justizsprecher der ÖVP, Herr Dr. Graff, in der "Presse" von einer "Gerichtsbarkeit nur für die Reichen" gesprochen. (Abg. Dr. Brinek: Der ehemalige!) Verzeihen Sie, Sie haben recht: Der frühere Justizsprecher der ÖVP, Dr. Graff, hat in der "Presse" vom Montag, dem 1. Dezember 1997, selbst davon gesprochen, daß diese Zivilprozeßnovelle eine "Gerichtsbarkeit nur für die Reichen" bedeutet. – Insofern möchte ich die Ausführungen unseres Justizsprechers Dr. Ofner unterstreichen. Gerichtsbarkeit nur für die Reichen, sagt Dr. Michael Graff. Er hält überdies die Zugangsbeschränkung für verfassungswidrig und kritisiert sie mit drastischen Worten. Er spricht von einer "Rechtsverweigerung für den Normalbürger" und der bereits erwähnten Rechtssprechung für die Reichen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vom Entschließungsantrag wurde hier gesprochen, demgemäß man sich ansehen werde, wie sich das entwickelt und ob die Oberlandesgerichte auf Vorhalte der Rechtsmittelwerber, daß keine Revision zugelassen wurde, entsprechend reagieren. Man überprüft das, oder wie es so schön heißt: Man evaluiert dies. Das ist – ich habe ihn bereits im Ausschuß so genannt – ein Entschließungsantrag des schlechten Gewissens. Daß heute das Justizministerium die Entwicklung ... (Abg. Dr. Fuhrmann: Nein! Ein Entschließungsantrag des Verantwortungsbewußtseins!) Ein Entschließungsantrag des schlechten Gewissens! Herr Kollege Fuhrmann! Wenn ich Sie ansehe, und Sie sagen, es ist ein Entschließungsantrag der Verantwortung (Abg. Dr. Fuhrmann: Des Verantwortungsbewußtseins!) , und Sie lachen dabei, dann weiß ich, daß die ehrliche Seite, die bei Ihnen zweifellos vorhanden ist, hier die Oberhand behält. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ein Entschließungsantrag des schlechten Gewissens, denn eines ist klar, sehr geehrter Herr Justizminister: Die Damen und Herren des Justizministeriums sind Spezialisten, die ständig die Gerichtsbarkeit beobachten – nicht überwachen, sondern beobachten. Das ist überhaupt keine Frage. Daher braucht man keinen Entschließungsantrag zu machen, der vorsieht, daß man sich das ansehen wird. Wahr ist vielmehr, daß diese Erweiterte Wertgrenzen-Novelle tatsächlich eine massive Zugangsbeschränkung zum Obersten Gerichtshof bewirkt.

Jetzt hat man hier den Druck nach unten auf die Oberlandesgerichte verstärkt. Man versucht, den Obersten Gerichtshof teilweise zu entlasten. Wieso das notwendig sein soll, kann ich aus der Praxis nicht nachvollziehen, weil der Oberste Gerichtshof wirklich relativ rasch entscheidet. Man versucht, diesen gesteigerten Anfall den Oberlandesgerichten überzustülpen, indem man sagt, sie sollen aussprechen, ob die Revision für zulässig erklärt wird oder nicht. Wenn sie es für nicht zulässig erklärt, dann soll der Berufungswerber noch einmal die Möglichkeit haben, zu sagen: Liebes Oberlandesgericht, ich bin nicht einverstanden mit deinem Ausspruch, daß die Revision nicht zulässig sein soll. Du hast dich geirrt, bitte schau’ dir das noch einmal an. – Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist doch wirklich eine Augenauswischerei der besonderen Art! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Denn wir kennen das aus der Praxis, und es ist auch menschlich verständlich: Wenn sich heute ein Drei-Richter-Senat mit einem Rechtsmittel befaßt und zu dem Ergebnis kommt, daß es nicht berechtigt ist, und wenn er weiters zu dem Ergebnis kommt, daß keine Frage einer außerordentlichen Bedeutung vorliegt, die den Zugang zum Obersten Gerichtshof ermöglichen könnte ... (Abg. Dr. Fekter: Dann gibt es immer noch die Amtshaftung!) Wenn also das Oberlandesgericht zu dem Ergebnis kommt, daß eine ordentliche Revision für nicht zulässig erklärt wird, dann ist es eine reine Augenauswischerei und direkt eine Pflanzerei, dem Rechtsmittelwerber zuzumuten, noch einmal eine Eingabe an das Oberlandesgericht zu richten – "Bitte überleg dir das noch


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