Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 104. Sitzung / Seite 200

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Die Anpassungen sind weitgehend unter Berücksichtigung des Faktors 13 Euro-orientiert. Das heißt, Frau Abgeordnete, daß sie im Zuge der Euro-Umstellung zum 1. Jänner 2002 unschwer – also ohne größere innere Wertveränderungen – auf runde Euro-Beträge umgestellt werden können. Unter diesen Gesichtspunkten sind insbesondere auch die derzeitige bezirksgerichtliche Wertgrenze von 100 000 S auf 130 000 S und die Wertgrenze der Anwaltspflicht von 30 000 S auf 52 000 S angehoben worden.

Da im Vorfeld dieser Debatte kritisiert wurde, daß in diesem Zusammenhang die Wertgrenze der Anwaltspflicht von 30 000 S auf 52 000 S angehoben wurde, möchte ich darauf hinweisen, daß die 30 000 S-Wertgrenze seit dem Jahre 1976 unverändert geblieben ist, weshalb sich mit Rücksicht auf die inzwischen erfolgte Geldwertveränderung von etwa 108 Prozent eine Anhebung auf bloß 52 000 S als außerordentlich maßvoll darstellt.

Die vorliegende Wertgrenzen-Novelle ist – wie ihre Vorläuferin – ebenfalls erweitert, und zwar insofern, als sie eine Reihe von über bloße Wertanpassungen hinausgehende Regelungen trifft. Insbesondere enthält sie auch Maßnahmen zur Beschleunigung des Zivilverfahrens, ohne daß damit der Rechtsschutz unangemessen beeinträchtigt wird. So soll etwa ein Anreiz geschaffen werden, auf vermeidbare Berufungsverhandlungen zu verzichten, ohne der Partei – dies könnte den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Ofner entnommen werden – das Recht hierauf zu nehmen. Auch die kritisierte Verschärfung der Präklusion wegen Verschleppungsabsicht nach § 179 ZPO ist sehr vorsichtig und aus Sicht des Rechtsschutzes völlig unbedenklich formuliert.

Eines der wichtigsten, heute in allen Beiträgen diskutiertes Anliegen der Gesetzesvorhaben ist eine sachgerechte, notwendige Entlastung des Obersten Gerichtshofes, der eine personelle Ausstattung und Anrufbarkeit aufweist, wie sie im europäischen Vergleich – bezogen auf die Einwohnerzahl – im absoluten Spitzenfeld gelegen ist. Der Oberste Gerichtshof hat wiederholt darauf hingewiesen, daß bei Aufrechterhaltung seiner derzeitigen starken Belastung die bisherige Qualität der Rechtsprechung sowie die im internationalen Vergleich noch relativ geringe Verfahrensdauer für die Zukunft nicht mehr gewährleistet werden kann.

Das 1983 eingeführte und 1989 ausgebaute Zulassungsrevisionsmodell hat sich bewährt. Das gilt vor allem auch für die Beurteilung der Gerichte zweiter Instanz, ob eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung gegeben ist und sohin die Voraussetzungen für ein ordentliches Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof vorliegen. Der Oberste Gerichtshof nimmt von den von den zweiten Instanzen zugelassenen ordentlichen Rechtsmitteln etwa 95 Prozent an und teilt damit deren Ansicht, daß eine erhebliche Rechtsfrage tatsächlich vorliegt. Umgekehrt weist der Oberste Gerichtshof durchschnittlich 80 Prozent aller erhobenen außerordentlichen Rechtsmittel mit der Begründung zurück, daß eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung tatsächlich nicht vorliegt.

Mit Rücksicht auf diesen Befund hat es sich zur Entlastung des Obersten Gerichtshofes angeboten, seine Anrufbarkeit in jenem Bereich zurückzudrängen, in dem er schon bislang in 80 Prozent der erhobenen außerordentlichen Revisionen deshalb zu Unrecht angerufen wurde, weil – wie die Gerichte zweiter Instanz bereits zuvor richtig erkannt hatten – keine erhebliche Rechtsfrage vorgelegen ist. Es werden daher für den Bereich des streitigen Zivilverfahrens für den Bereich zwischen 52 000 S und 260 000 S – darüber hinaus ändert sich ja überhaupt nichts hinsichtlich des Systems ordentlicher und außerordentlicher Revision – die Aussprüche der zweiten Instanz, wonach über keine erhebliche Rechtsfrage zu entscheiden war und deshalb kein ordentliches Rechtsmittel zulässig ist, künftig prinzipiell für verbindlich erklärt, sodaß in einem solchen Fall der Oberste Gerichtshof auch mit keiner außerordentlichen Revision angerufen werden kann.

Es stimmt aber nicht, daß die Parteien bis 260 000 S – wie heute gesagt wurde – keine Chance haben, zum Obersten Gerichtshof zu kommen, da sie ja über die ordentliche Revision sehr wohl zum OGH gelangen. Es stimmt auch nicht, daß bei den von Herrn Abgeordneten Ofner angesprochen Widerrufs- und Unterlassungsansprüchen überhaupt nicht an den Obersten Gerichtshof gekommen werden kann, weil diese Ansprüche mit 240 000 S oder 120 000 S gedeckelt sind. Da wird die – unter Anführungszeichen – "Deckelung" nach dem Rechtsanwaltstarif mit der


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