Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 107. Sitzung / Seite 184

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selbst, Kollege Antoni! Das muß man schon sagen. Inzwischen ist man nämlich so weit, daß man innerhalb dieser Kommission – Gott sei Dank! – einzusehen begonnen hat, daß einige Punkte, mit denen man die Reform begonnen hat, in dieser Form nicht haltbar sind. Denn es war völlig falsch, einzelne Worte wie der "Tollpatsch", das "Quäntchen" und andere berühmte Beispiele einzuführen, wobei man versucht hat, die Stammlautung irgendwie, völlig neu und entgegen jeder Tradition, vor allem von der etymologischen Wurzel her, zu definieren. Es gäbe auch noch einige andere Beispiele anzuführen. (Abg. Mag. Posch: Die Majonäse!) Das ist der einzige Punkt, von dem ich sage, daß er in der Entwicklung dieser Rechtschreibreform positiv zu erwähnen wäre.

Wenn ich mir aber anhören muß, wie Sie, meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien, eine Reform verteidigen, die in dieser Form von den Vertretern der Reform selbst nicht mehr verteidigt wird, frage ich mich: Worüber diskutieren wir eigentlich? – Ich kann Ihnen schon folgendes sagen: Diese Reform verdient den Namen "Reform" nicht! (Abg. Dr. Krammer: "Reform" schon!) Sie verdient ihn nicht, weil sie von Anfang an inkonsequent war. (Abg. Mag. Posch: Das habe ich immer schon gesagt!) Sie hat nie versucht – oder wenn, dann nur mit ganz besonderer Arroganz zum Zeitpunkt ihrer Umsetzung und Einführung –, über die Leute drüberzufahren. Sie hat ignoriert – und das trifft weniger auf Österreich zu, das gebe ich zu, als vielmehr auf die Bundesrepublik Deutschland –, daß natürlich jeder Versuch der Änderung einer bestimmten Zustimmung bedarf – ganz abgesehen davon, daß sie auch eine inhaltliche Stringenz braucht, die sie aber von Anfang an nicht gehabt hat.

Das heißt, worauf wir uns verständigen könnten, wäre, daß diese Reform läuft. Es gibt eine gewisse Bereitschaft seitens der Kommission, weiterzudenken und über den eigenen Schatten zu springen. Es gibt auch – das will ich nicht bestreiten, das habe ich von Anfang an nicht bestritten – Punkte innerhalb der Reform, die ich unterstütze.

Es wurde hier gesagt, die Reform sei ein wunderbares und einheitliches Werk. Ich muß aber feststellen, daß bei dem Versuch der Vereinheitlichung dieses eigenartigen Buchstabens, des scharfen ß, von dem ich weiß, daß ihn die Schweiz schon längst abgeschafft hat, nicht einmal in diesem kleinen, bescheidenen Punkt, der für Schüler wirklich Erleichterungen bringen könnte, wenn man aus dem scharfen ß endlich konsequent ein Doppel-S machen würde, Übereinstimmung erzielt wurde. Das wurde bisher nicht geschafft. Ich kann nur hoffen und darauf vertrauen, daß die Rechtschreibreform-Kommission klüger ist als die Regierungsparteien in Österreich, die noch immer einem Modell der Rechtschreibreform anhängen, das es in der Realität nicht mehr gibt.

Ich bestreite gar nicht, Frau Ministerin – genauso wenig wie gegenüber den Vorrednern –, daß die Vereinfachung der Interpunktion natürlich bedeutende Erleichterungen mit sich bringt. Was ich jedoch bestreite, ist, daß das ein Grund ist, daß man der Reform zustimmen soll, denn das könnten Sie auch dadurch erreichen, daß Sie den Stellenwert und die Bewertung der Rechtschreibung in den Schulen etwas verändern. So könnte einiges verbessert und für die Schüler erreicht werden. Dazu bräuchte man aber keine Reform, die im Moment daran leidet, daß niemand mehr so recht weiß – nämlich nicht die Schulbuchverlage, sondern die Verlage, die die Regelwerke herausbringen, und vor allem deren Käufer –, was man kaufen soll.

Jetzt kann ich mit dieser Situation nur insofern umzugehen versuchen, als daß ich erkläre, daß wir Grünen nach wie vor nicht mit dieser Reform einverstanden sind. Wir haben aber auch insofern dazugelernt, als wir akzeptieren, daß zumindest die Kommission dazuzulernen bereit ist. Deshalb stimmen wir auch dem Antrag der Freiheitlichen, der nur wieder den Zustand ante quo herstellen, also nichts verbessern, nichts reformieren will, sondern so tut, als ob es die heilige, unveränderbare deutsche Sprache noch immer gäbe, die es nicht einmal zu Zeiten des Duden gegeben hat, in dieser Form nicht zu. Das ist aber noch lange kein Grund, die Reform sozusagen abzufeiern. (Beifall bei den Grünen.)

21.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Christa Krammer. – Bitte. (Abg. Dr. Khol: Das wird der Höhepunkt des heutigen Abends!)


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