Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 109. Sitzung / Seite 45

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die Weiterbildung, für das lebenslange Lernen mitzugeben? Können wir sie in der Geschwindigkeit weiterentwickeln, wie sich die wirtschaftlichen Märkte entwickeln und wie sich die Nachfrage entwickelt?

Viele Vorredner haben sich sehr intensiv mit der Frage der Beschäftigung befaßt, aber kein einziger von ihnen hat das Wort "Kunde" in den Mund genommen. Alle reden von Beschäftigungspolitik wie die Zauberlehrlinge, und eine Rakete nach der anderen wird hochgeschossen: Da macht der Herr Schüssel 40 000 neue Jungunternehmer, dort macht der Herr Vranitzky dann 50 000 neue Beschäftigte, und jetzt macht der Herr Klima 100 000 neue Beschäftigte – eine Rakete nach der anderen! Aber niemand, meine Damen und Herren des Hohen Hauses, spricht hier von denen, welche Beschäftigung schaffen: Das sind die Kunden, das ist die Nachfrage der Kunden.

Der Dr. Haider und leider auch der Herr Schreiner wollen uns sogar von unseren neuen Märkten abschneiden, indem sie sich gegen die EU-Erweiterung aussprechen. Selbstverständlich muß diese auch sozial und beschäftigungspolitisch harmonisiert werden. Aber dort sind die neuen Märkte.

Herr Fasslabend spricht von der Frage des privaten Konsums. Herr Bundesminister, genau das ist unser Problem! Der private Konsum steigt wegen der Steuerpolitik und der Einkommenspolitik, die Sie und diese Bundesregierung betrieben haben, heute nominell nur noch in ganz geringem Ausmaß, und real sinkt er. Da fehlt uns die Nachfrage, nicht zuletzt der private Konsum im Bereich der touristischen Nachfrage, die in Österreich sehr stark zurückgegangen ist.

Meine Damen und Herren! Wenn Sie über Beschäftigungspolitik diskutieren – viele von Ihnen haben das getan – und dabei die Worte "Kunde", "Markt", "Kundenbedürfnis" oder "Kundenorientierung" nicht einmal in den Mund nehmen, dann zeihe ich Sie des Zauberlehrlingtums. Sie versuchen, in einem Topf umzurühren, obwohl Sie nicht wirklich darüber nachgedacht haben, wo die Beschäftigung entsteht. Österreich ist ein Volk von Selbständigen, nur haben wir zuwenig offizielle Selbständige und zu viele inoffizielle Selbständige! Wir haben eine Selbständigenrate von 18 Prozent in Österreich, aber nur ein Drittel davon steht in der Legalität. Zwei Drittel sind in der Illegalität, in der Schwarzarbeit, im Pfusch selbständig, und Sie geben ihnen mit Ihrer Politik nicht die Möglichkeit, aus diesem Bereich herauszukommen.

Ja, Frau Bundesministerin, es gibt die organisierte Schwarzarbeit, und es ist eine politische Aufgabe, diese zu bekämpfen. Gar keine Frage! Aber denken Sie einmal darüber nach, warum diese 500 000 nicht registrierten Selbständigen den Weg in die nicht registrierte Selbständigkeit – sprich: Schwarzarbeit und Pfusch – gesucht haben. Hat das vielleicht mit Ihren Rahmenbedingungen zu tun? Sind vielleicht die Arbeitskosten in Relation zu den Bruttolöhnen zu hoch – 100 Prozent –, daß es sich daher lohnt, im schwarzen Bereich zu arbeiten? Sind die Bürokratiehürden, die Sie aufgebaut haben, für die unregistrierten Selbständigen zu hoch, daß sie den Weg in die registrierte Selbständigkeit nicht gehen? Sind vielleicht die sozialen und arbeitsrechtlichen Absicherungen – Herr Präsident des Gewerkschaftsbundes! – heute so, daß es eine neue Armut bei Kleinunternehmern gibt?

Das sind Punkte, die wir einmal überlegen sollten. Warum sollte jemand, der 35 000 S brutto verdient und sich im geschützten Bereich des Arbeitsrechtes, des Sozialrechtes, der Abfertigung, des Kündigungsschutzes befindet, in die Kälte der Selbständigkeit hinausgehen? Haben Sie die richtige Politik gemacht, um die vielen aktiven jungen Menschen in Österreich zu ermutigen, die sagen: Ja, ich bin jemand, der eigentlich Unternehmer werden will!, oder behindern Sie sie?

Meine Damen und Herren! Wenn wir wieder einmal über Beschäftigung diskutieren, bitte ich Sie: Reden wir auch über Märkte und Kunden und verkünden wir nicht nur Stehsätze darüber, damit wir nicht wie die Zauberlehrlinge im Topf der Beschäftigungspolitik rühren! (Beifall beim Liberalen Forum.)

12.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Gabriela Moser.


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