Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 109. Sitzung / Seite 113

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gedrängt worden sind, obwohl es ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes gibt, daß Kolporteure arbeitsrechtlich nicht Selbständige, sondern unselbständig Beschäftigte sind. Der Verwaltungsgerichtshof, der Oberste Gerichtshof, mehrere Urteile besagen: Kolporteure sind unselbständig Beschäftigte.

Das interessiert offensichtlich das Sozialministerium nicht, sondern dort wird erklärt: Das ist die Aufgabe und das Problem der Kolporteure. Sie müssen selbst danach trachten, sich irgendwie durchzusetzen. Wir nehmen sie jedenfalls von der Sozialversicherungspflicht aus. Für uns sind sie weder Selbständige, die sozialversichert werden sollen, noch sind sie Unselbständige, die sozialversichert werden sollen. – Das war die Realität.

Jetzt sind wir zwar einen Schritt weiter, Kollege Hums, aber in die falsche Richtung! Jetzt, mit dieser letzten Novellierung, werden die Kolporteure zu Unternehmern gemacht, selbstverständlich nur sozialrechtlich und nicht arbeitsrechtlich, weil das ja nicht das Thema dieser Novellierung ist; aber sozialrechtlich machen wir sie zu Unternehmern. Und da, meine Damen und Herren, sage ich Ihnen nur: Bei dieser Art von Legistik wird Ihre Scheinheiligkeit offenbar! Da wird es offenbar, daß Sie nicht vorhaben, die Flucht aus dem Arbeits- und Sozialrecht zu beenden, sondern daß Sie mit dieser Reform etwas anderes beabsichtigt haben: nämlich dort ein kleines Inkasso zu machen, wo es sich eben gerade ausgeht.

Selbstverständlich kann man nicht bei allen kassieren. Vor allem kann man in Österreich bei den großen Medienmogulen nicht kassieren, weil sie das nicht wollen und sich wehren. Sie sagen: Bitte, Herr Sozialminister – bei allen anderen, aber nicht bei mir! Da muß dann leider auch der Sozialminister nicken und zugeben, daß es nicht anders geht. Das ist die Realität! Dort stoßen sich die Interessen an den Ideen und blamieren die Ideen, die Sie hatten. (Abg. Hums: Stehen Sie dahinter?) Selbstverständlich stehe ich hinter dem Grundsatz, so, wie viele andere. Auch wenn immer wieder ein Satz, eine bestimmte Zeile aus einer Presseaussendung zitiert wird, Kollege Hums: Selbstverständlich stehen die Grünen dafür, daß alle in die soziale Sicherung einbezogen werden – aber um welchen Preis, das ist die Frage!

Damit komme ich zu einem anderen Beispiel. Das Thema Kolporteure haben wir jetzt meiner Ansicht nach deutlich genug behandelt, um sichtbar zu machen, daß Sie mit Ihrer Reform ganz bestimmt nicht die Idee gehabt haben, alle in die soziale Sicherung einzubeziehen. Das zweite ist das Opting-in. Bei der Einbeziehung der geringfügig Beschäftigten gibt es zwar die Versicherungspflicht für den Unternehmer beziehungsweise Arbeitgeber, aber ein Opting-in für den Beschäftigten. Der Versicherungspflicht und der Versicherungsleistung des Unternehmers steht keine Gegenleistung gegenüber, das heißt: ist gleich Steuer, ohne soziale Sicherung für den Betreffenden, für den diese Steuer bezahlt wird. Das ist von der Systematik her ein großes Problem, auch wenn dazu immer wieder jenes Gutachten des Verfassungsdienstes zitiert wird. Aber ich würde das gerne ausjudiziert sehen und bin mir nicht so sicher, ob es da nicht größere Probleme gibt.

Deshalb glaube ich, daß der Antrag des Liberalen Forums – gegen den ich in der Begründung einige Bedenken hätte – in dieser Frage in die richtige Richtung geht. Es geht um die Einbeziehung aller in eine soziale Sicherung – und da wird sich auch die Sozialdemokratie einmal der Frage stellen müssen, ob alle tatsächlich nur durch Erwerbsarbeit in eine soziale Sicherung einbezogen werden können –, und vom Grundsatz her entspricht der liberale Antrag in diesem Kernbereich dem, was wir alle wollen. Einbeziehung oder Berechnung durch die Lohnsumme ist eine wesentlich gerechtere Bemessung und Durchrechnung als das, was Sie in der derzeitigen Form gegenüber den geringfügig Beschäftigten und anderen Gruppen von Werkvertragsnehmern praktizieren.

Meine Damen und Herren! Der Antrag der Liberalen ist nicht alles. Er kann es nicht sein, und auch wir können nicht im Detail sagen, wie es weitergeht. Nur muß eines klar sein: Das ASVG in seiner alten Systematik kann nicht mehr die Grundlage für die soziale Sicherung von morgen sein. Zu dieser Erkenntnis, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, sollten Sie sich langsam durchringen. Wenn Sie diese Erkenntnis mit uns gemeinsam teilen werden, dann


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