Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 110. Sitzung / Seite 56

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Damit es von den 40 Mitgliedern des Europarates überhaupt als Vertragswerk akzeptiert wurde, wurde der Begriff "Minderheit" nicht definiert. Das ist sicherlich eine Schwäche des Rahmenübereinkommens. Die Unterzeichnerstaaten können die Definition selbst festlegen. Trotzdem ist es – vor allem in bezug auf die Situation der Minderheiten in Osteuropa – ein äußerst wichtiges Rechtsinstrument des Europarates.

Das vorliegende Rahmenübereinkommen definiert die Rechtsgrundsätze näher, zu deren Einhaltung die Staaten sich zum Schutz nationaler Minderheiten verpflichten. Es ist eine Reihe von pragmatischen Bestimmungen und Zielen vorgegeben. Bei der Verwirklichung dieser Ziele durch die einzelnen Staaten wird jedoch ein großer Ermessensspielraum gewährt. Daher gibt es, wie gesagt, keine Begriffsdefinition, sondern man hat eine pragmatische Vorgangsweise gewählt. Das heißt, das Übereinkommen wird mittels innerstaatlicher Rechtsvorschriften und entsprechender Regierungspolitiken, die folgen mögen, umgesetzt.

Für Österreich bedeutet dies zunächst, daß es ein Einverständnis darüber gibt, daß das Übereinkommen auf die gemäß § 1 Abs. 2 Volksgruppengesetz festgelegte Personengruppe zutreffen soll. Die Vertragsparteien verpflichten sich hierbei, gegen Diskriminierung zu kämpfen, für die Gleichheit der Volksgruppen einzutreten, deren Kultur zu bewahren, die Versammlungsfreiheit, Vereins-, Gedanken-, Gewissens-, Religions- und Meinungsäußerungsfreiheit zu garantieren und vor allem den Gebrauch der Minderheitensprache als wichtigstes Kriterium für deren Identität zu erlauben sowie die Gründung eigener Schulen und Ausbildungsstätten und so weiter zuzulassen.

Die Konvention enthält außerdem einen eigenen Kontrollmechanismus. Auch die Berichtspflicht der Vertragsstaaten – das ist besonders wichtig – ist sichergestellt. Die Vertragsstaaten sehen gemäß Konvention von Zielsetzungen und Praktiken ab, die auf die Assimilierung von Angehörigen einer Minderheit abzielen, ebenso wie sie in Analogie zum Anhang III der Wiener Erklärung geeignete Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Intoleranz treffen, um Menschen vor diskriminierenden, feindseligen oder gewalttätigen Handlungen zu schützen.

Österreich hat seine vertraglichen Verpflichtungen sicherlich weitgehend erfüllt. Trotzdem bleibt – das muß man fairerweise sagen – noch eine Reihe von Wünschen und Hoffnungen offen und ist bisher unerfüllt. Daher möchte ich hier – wie schon an vorangegangener Stelle – einige dieser Hoffnungen und Wünsche erneut bezeichnen und urgieren: zum einen, eine Staatszielbestimmung im Verfassungsrang zu beschließen, in der sich Österreich zu seinen Minderheiten und zu seiner sprachlichen, kulturellen und ethnischen Vielfalt bekennt. Wenngleich eine derartige Staatszielbestimmung rechtlich nicht besonders wirksam wäre, wäre sie doch ein eindeutiges Bekenntnis Österreichs zu seinen Volksgruppen.

Ich urgiere weiters die Einrichtung einer gesamtösterreichischen Konferenz der Beiratsvorsitzenden der Volksgruppen zur Koordinierung der innerstaatlichen Ziele und Vorstellungen, so wie das im Vorjahr bereits in äußerst fruchtbarer Weise stattgefunden hat. Damit wäre ein institutionalisiertes, repräsentatives Organ vorhanden, das mit der Bundesregierung oder mit den Landesregierungen in Verhandlungen eintreten könnte. Das wäre ein sehr, sehr wichtiger Schritt im Sinne einer konsequenten Weiterentwicklung einer emanzipatorischen Regierungspolitik zum Wohle der Volksgruppen, und es würde helfen, die unterschiedlichen Positionen der Volksgruppen in Österreich – seien es die Kroaten, seien es die Slowenen – zusammenzufassen und in diesem Organ zu vertreten.

Ich urgiere außerdem – das geht besonders an Ihre Adresse, Herr Staatssekretär! – die Ratifikation der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen, die Österreich bereits im Jahr 1992 unterzeichnet hat, des zweiten wichtigen internationalen Übereinkommens des Europarates zum Schutz der Minderheiten. Vielleicht ist es möglich, diese Urkunde noch in diesem Jahr dem Parlament zur Ratifikation vorzulegen.

Mit diesen zwei wichtigen internationalen Rechtsinstrumentarien zum Schutz der Minderheiten verschiebt sich nach meinem Dafürhalten die Perspektive von der engen nationalen Ebene auf


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