Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 110. Sitzung / Seite 58

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Vor kurzem hat es von Belgrad aus geheißen, man dürfe sich nicht einmischen, die Sache im Kosovo sei eine innere Angelegenheit. Darauf müßte man antworten: Sie liegen mit dieser Haltung mindestens 20 Jahre hinten. Menschenrechtsfragen und Minderheitenrechte sind heute Bestandteile der Gemeinschaft und nicht mehr nur eine innere Angelegenheit. Die Arbeit der KSZE hat dazu geführt, daß Menschenrechte heute ein Thema sind, das sich mit Recht auf die ganze Welt, auf die gesamte Gemeinschaft der Staaten bezieht. Das gilt auch für den Kosovo.

Ich möchte die Gelegenheit hier nützen, zu appellieren, sich des Kosovos anzunehmen. Meine Damen und Herren! Man macht wieder die gleichen Fehler: Bevor nicht Blut fließt, macht man nichts außer gelegentlich Vorschläge, und dann wendet man sich wichtigeren Dingen zu!

Rugova, der sogenannte gewählte Präsident von Kosovo, hat sich bemüht, jede Explosion zu vermeiden. Die Situation wird immer schlechter, die Radikalen übernehmen sozusagen die Geschäfte, auch bei der Minderheit, die eine Mehrheit ist. 90 Prozent der Bevölkerung des Kosovo sind Albaner.

Wir müssen uns jetzt einschalten. Die Arbeitsgemeinschaft, die es aufgrund der Vorgänge in Jugoslawien gegeben hat, muß wiederbelebt werden. Es muß einen ständigen Dialog zwischen Priština, der Hauptstadt des Kosovo, Rugova, und Miloševic, der serbischen Regierung, geben. Es muß einen Waffenstillstand und letztlich ein Angebot geben.

Es besteht die Gefahr, daß das Angebot, wenn es gemacht wird, zu spät kommt und daß das, was angeboten wird, zuwenig ist. Der Kosovo muß mindestens jene Autonomie erhalten, die er gehabt hat, plus etwas dazu. Das ist die unterste Ebene der Zugeständnisse an die Albaner. An oberster Stelle müßte stehen, daß sie derzeit die Souveränität Serbiens respektieren müssen. Der Kosovo war international immer ein Teil Serbiens; das muß auch so bleiben. Und dann gibt es eine dynamische Entwicklung in der Demokratie, und diese kann die Dinge verändern.

Wenn wir jetzt nichts machen, meine Damen und Herren, werden wir eines Tages wieder an Gräbern, Massengräbern von Ermordeten stehen, wie es in Vukovar und Srebrenica der Fall war, und sagen, wie sehr uns das, was da passiert ist, leid tut. Wir werden sagen: Furchtbar! Dann gibt es wieder einen Strafgerichtshof, der die Mörder sucht – aber die Toten werden nicht wieder lebendig!

Ich möchte hier auch an die Verantwortlichen der österreichischen Außenpolitik appellieren – ich weiß, Dr. Schüssel hat sich sehr bemüht, für den Kosovo mehr Interesse zu wecken, als kürzlich in einem Vorschlag der EU sich widerspiegelte –: Man müßte vor allem die volle Autonomie wiedereinführen.

Wenn man zum Beispiel in der UNO präventive Diplomatie – das ist jetzt ein Modewort geworden – haben möchte, dann muß auch etwas geschehen. "Präventiv" heißt, einen Konflikt zu vermeiden. Wir landen dann immer bei der Situation, daß man sagen muß: by all means, wir müssen eingreifen, auch mit militärischen Mitteln. Es ist niemandes Wunsch, militärische Mittel zur Lösung politischer Konflikte international einzusetzen. Wir wollen die Konflikte mit diplomatischen, mit politischen Mitteln lösen, vor allem dann, wenn es um Menschenrechte geht. Militärische Mittel sind das letzte Instrument, um die Dinge glaubwürdig zu machen, wenn es heißt: rechtliche Verpflichtung. Das Recht hilft auch nur dann ein kleines Stück weiter, wenn dahinter Macht steht. Das muß man auch sehr deutlich sagen.

Ich meine, Österreich sollte das machen, was es schon in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten gemacht hat: eine Politik des Schutzes der Menschenrechte, und zwar in dem Sinn, daß es versucht, Konflikte rechtzeitig zu lösen, und Beiträge in politischer und diplomatischer Hinsicht dazu leistet. Das ist unser Interesse und unsere Aufgabe. Da haben wir auch in den kommenden Jahrzehnten eine Brückenfunktion wahrzunehmen.

Bei den sogenannten Gipfelkonferenzen sehen wir, daß sie oft sehr leer sind, sie heißen nur "Gipfelkonferenzen". Gipfel mit beeindruckenden Leistungen werden selten erreicht, sie können aber auch zu konkreten Zielen führen, das hat sich 1993 gezeigt. Der Europaratsgipfel 1993 war


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