Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 110. Sitzung / Seite 124

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dafür der Herr Bundeskanzler in keiner Weise zur Verantwortung gezogen werden kann. Ich glaube, daß man nicht mehr tun kann, als der Herr Bundeskanzler bereits getan hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Parteivorsitzender der Freiheitlichen Partei! Da es heute hier um die Sache geht – und die Sache ist, daß wir alles gegen Gewalt an Kindern und gegen sexuellen Mißbrauch von Kindern tun –, erwarte ich von Ihnen genauso eine klare Distanzierung von jenem Abgeordneten der Freiheitlichen Partei, der heute in der Debatte den Herrn Bundeskanzler als Sympathisanten von Kinderschändern bezeichnet hat. (Beifall bei SPÖ und ÖVP, dem Liberalen Forum und den Grünen.) Ich halte diese Vorgangsweise des Abgeordneten Holger Bauer für unerklärlich, und ich meine, daß hier eine klare Distanz im Sinne der Sache dringend notwendig ist. (Beifall bei SPÖ und ÖVP, dem Liberalen Forum und den Grünen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Was wird sonst noch alles untergejubelt?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich halte es für wirklich notwendig, daß wir gemeinsame Anstrengungen unternehmen, weil die Zahl des sexuellen Mißbrauchs von Kindern in den letzten Jahren erschreckend angestiegen ist. Hatten wir 1992 noch 496 Anzeigen – ich sage bewußt "Anzeigen" –, so ist diese Zahl im Jahre 1996 auf 738 gestiegen, und im Jahre 1997 werden es fast 800 sein. Das ist die Zahl der Anzeigen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Dunkelziffer schätzen Experten in Österreich und in Deutschland viel höher ein, sie beträgt wahrscheinlich das Zwanzigfache der Anzeigen, die pro Jahr bei Gericht einlangen. Das heißt, wir können damit rechnen, daß mehr als 10 000 Kinder und Jugendliche pro Jahr in Österreich Opfer von sexueller Gewalt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! 94 Prozent der Täter befinden sich im unmittelbaren Verwandten-, Bekannten- und Familienkreis, und 90 Prozent der Täter sind Männer. Jedem von uns muß klar sein, daß die Familie in sehr vielen Fällen ein Ort des Besinnens, des Zurückziehens, der Erholung und der Idylle ist, daß sie aber allzuoft auch ein Ort schrecklicher Taten sein kann. Wir alle gemeinsam haben die Aufgabe, dieser Spirale der Gewalt, die allzuoft in der Familie auftritt, entgegenzutreten, wir sind dabei aber allzuoft mit einem Tabu konfrontiert, das wir in der Vergangenheit nicht durchbrechen konnten. Das ist unsere eigentliche Verantwortung und Herausforderung: alles zu tun, um dieses Schweigen zu durchbrechen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist auch dringend notwendig, weil die Auswirkungen des sexuellen Mißbrauchs von Kindern und Jugendlichen schrecklich sind und ihrerseits schreckliche Folgen haben. Dazu möchte ich nur darauf hinweisen, daß uns Untersuchungen vorliegen, aus denen hervorgeht, daß in Österreich an die 70 Prozent aller weiblichen Prostituierten in ihrer Kindheit und Jugend Opfer von sexuellem Mißbrauch waren und daß an die 80 Prozent aller drogenabhängigen Mädchen in Österreich – 80 Prozent! – Opfer von sexuellem Mißbrauch in Kindheit und Jugend waren. Allein diese Untersuchungen und Zahlen zeigen, welche Folgewirkungen das hat. Dabei gehe ich noch gar nicht auf die psychischen und anderen Schädigungen ein, die allzuoft auch zu Selbstmord oder anderen Taten führen.

Deshalb müssen wir alles Nötige tun. Ich kann Ihnen versichern, daß ich in dem Bereich, für den ich verantwortlich und zuständig bin, soweit wie möglich die entsprechenden Maßnahmen ergreife.

Ich glaube, daß es im wesentlichen vier große Herausforderungen für uns gibt. Herausforderung Nummer eins ist, mit ganzer Kraft und mit allem, was uns zur Verfügung steht, gegen die Täter vorzugehen und auch die entsprechenden Sanktionen durchzuführen. Ich glaube, das ist dringend notwendig. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber um auch dazu ein klares Wort zu sprechen, meine sehr geehrten Damen und Herren: Ich denke, daß wir ein ausreichend hohes Strafausmaß bei sexuellem Mißbrauch von Kindern und Jugendlichen haben. (Abg. Dr. Krüger: Sechs Monate bis fünf Jahre bei Unzucht mit Minderjährigen!) Aber die Verurteilung sieht dann allzuoft ganz anders aus. (Abg. Dr. Krüger: Sechs Monate bis fünf Jahre!) Da der Abgeordnete Stadler in seinen Zwischenrufen heute ein paarmal die "Causa Melvin" erwähnt hat, möchte ich sagen: Dazu liegt ein aktuelles Gerichtsurteil zweiter


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