Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 111. Sitzung / Seite 16

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Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

"Mit dem Ausstieg Österreichs aus der Kernenergienutzung per Referendum im Jahre 1978 wurde ein bis dahin weltweit einzigartiger Schritt gesetzt. International kommt Österreich alleine aufgrund dieser Vorgangsweise eine zentrale und verantwortungsvolle atompolitische Bedeutung zu. Dieses Rollenbild bietet einerseits eine Reihe von Gestaltungsmöglichkeiten bei der Realisierung eines kernenergiefreien Mitteleuropas, andererseits bedarf es genau dafür eines höheren Maßes an Initiativen, Konzepten und Umsetzungsstrategien.

In der Ära Vranitzky wurde dieses Politikverständnis – trotz oder gerade wegen oftmals begründeter Kritik seitens der Grünen hinsichtlich einer Reihe von Handlungsdefiziten – prinzipiell weiterentwickelt und jedenfalls offensiv kommuniziert. Anstatt diese Vorarbeit zu nutzen, und speziell aufgrund einer Reihe aktueller Erfordernisse diese Linie verstärkt, vor allem auch außenpolitisch zu vertreten, ist nach einer anfänglichen Stagnation die Anti-Atompolitik Österreichs praktisch nicht mehr existent.

Während sich das Gefährdungspotential durch grenznahe Atomanlagen durch immer neue Pläne unserer Nachbarstaaten erhöht, während in der EU kein Abrücken von der offiziellen Atomförderung bemerkbar ist, und die Frage des Beitrittes zu atomar bewaffneten Bündnissen präsent ist, begnügt sich Österreich mit der Abfassung allgemeiner Erklärungen, mit dem Ziel, möglichst oft aufs Neue festzuhalten, daß es in Sachen Atom ohnehin einen politischen Konsens gäbe. Die Forderung nach Evaluierung und Neuorientierung wird mit dem Hinweis abgetan, daß Österreich als einzelnes Land sich leider der Realität stellen müsse, wohingegen die Kooperation mit potentiellen Bündnispartnern nicht annähernd gleichviel Energie in Anspruch nimmt.

Österreichs Anti-Atompolitik hat ihre konstruktive Außenwirkung längst verloren. Die Diskrepanz zwischen Ankündigungen etwa vor dem österreichischen EU-Beitritt und erfolgter Ernüchterung mangels Umsetzung hat zur Etablierung eines atompolitischen Biedermeiertums geführt, was zur Folge hat, daß selbst der innenpolitische Konsens auf immer weniger Positionen schmilzt, die zudem primär defensiver Natur sind. Österreich braucht eine seriöse Debatte über Zustand und Zukunft seiner Anti-Atompolitik.

Konzepte, wie das erklärte Ziel vom atomfreien Mitteleuropa am Beispiel Ohu, Temelin, Dukovany, Bohunice, Mochovce oder Krško erreicht werden soll, liegen nicht vor. Mit steigender Tendenz verlagert sich der Inhalt der Diskussion von Begriffen wie ,Atomausstieg‘, ,Reaktorstillegung‘ und ,Nichtinbetriebnahme‘ in Richtung ,möglichst hohe Sicherheitsstandards‘ und ,Untersuchung von Nachrüstungsmaßnahmen‘.

Gerade in Tschechien stehen derzeit die Zeichen günstig wie nie zuvor, die Sinnhaftigkeit der Fertigstellung des Kernkraftwerkes Temelin in Frage zu stellen. Jedoch die Gespräche über Ersatzmöglichkeiten sind seit Jahren sistiert, die Chance, gerade jetzt bilateral Verhandlungen über eine Nachdenkpause zu führen, bleibt ungenutzt, das Angebot Österreichs, eine Studie über die Machbarkeit der Substituierung Temelins zu finanzieren, schaffte den Sprung von der Ankündigung in heimischen Medien nicht über die Grenze zum Grünen Tisch in Prag.

Beispiel Atommüllager Dukovany:

Das Beispiel Dukovany ist bezeichnend für den Zustand der Anti-Atompolitik. Bestehende bilaterale Informationsabkommen, von denen seit geraumer Zeit bekannt ist, daß sie eines – nämlich den Austausch wichtiger Atominformationen – nicht leisten, werden weder in Frage gestellt, noch neu verhandelt. So gelangte auch die Information, daß ein grenznahes Atommüllager mit einer Gesamtkapazität von 2 000 Tonnen hochradioaktiver Brennelemente errichtet werden soll, erst nach Österreich, nachdem eine 30tägige Einwendungsfrist im Rahmen der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bereits zu laufen begonnen hat. Nur nach massivem Druck seitens der Grünen wurde zumindest angekündigt, ein Schreiben der Regierung mit Projekteinwendungen auf den Weg nach Tschechien zu schicken.

Verhandlungen, um für die zweifellos massiv gefährdete österreichische Bevölkerung Einwendungsmöglichkeiten zu erwirken, wurden nicht geführt. Das Argument, daß keine klare rechtliche


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