Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 111. Sitzung / Seite 38

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Herr Bundeskanzler! Wissen Sie, was das bedeutet? – Das bedeutet Milliardeninvestitionen, und die Auftragnehmer heißen Siemens, Westinghouse und anders. Und Sie als Ökonom, Herr Bundeskanzler, wissen genausogut wie ich, was es bedeutet, Milliarden in ein veraltetes AKW zu investieren, nämlich damit es länger läuft! Die sogenannte Sicherheitsstrategie ist eine Verlängerungsstrategie, ist eine Beibehaltungsstrategie. Das ist Ihr "Realismus"! Sie verlängern damit die Zeit bis zum Ausstieg, der durch das Betreiben der Bevölkerung schon viel früher erreicht werden könnte – wenn man eben unrealistisch ist! (Beifall bei den Grünen.)

Oder: Herr Bundeskanzler! Wo war denn der politische Einsatz – ein Einsatz in derselben Stärke, wie Sie damals um die Bank Austria, um den Einfluß der WestLB in Österreich gekämpft haben –, als sich der französische Atomriese eingekauft hat, als sogar der Wirtschaftsminister das eigentlich nicht ganz gut gefunden hat? Wo war denn da der massive Protest? Wo haben Sie da Leute zur Verantwortung gezogen?

Auf Sicherheitsstrategien zu setzen, vor allem auf einheitliche europäische Sicherheitsstandards, bedeutet jahrzehntelange Verhandlungen, bedeutet das Einsteigen auf ein Sammelsurium von technologischen Fortschritten und ist das diametrale Gegenteil eines Ausstiegsszenarios.

Und vor allem, Herr Bundeskanzler: Wenn das heute so unrealistisch ist, dann frage ich Sie schon: Was hat denn die Bundesregierung dazu gebracht, noch am 13. November des Vorjahres in einer eigenen Aussendung zu sagen (Zwischenbemerkung des Bundeskanzlers Mag. Klima )  – wörtliches Zitat –: Die Bundesregierung wird auf Basis der Entschließung des Nationalrates vom 10. Juli 1997 im Rahmen der bevorstehenden EU-Beitrittsverhandlungen mit mittel- und osteuropäischen Staaten verbindlich für die Erstellung von Atomausstiegskonzepten eintreten und entsprechende Aktivitäten setzen. – Darin war nicht von "und Sicherheitsinvestitionen" die Rede, sondern von Ausstiegskonzepten, und zwar verbindlich.

Ich frage Sie daher: Wieso ist dieses Vorhaben innerhalb einiger Monate verschwunden? – Das ist nicht ganz erklärlich. Das mag auch mit den ökonomischen Interessen manch potenter Investoren und Konzerne in Österreich zu tun haben. Anders kann ich mir das sonst nicht erklären.

Nun zum Waffenbereich: Herr Bundeskanzler! In diesem Bereich haben Sie die politischen Sprachwendungen ja ganz besonders geschickt eingesetzt, denn Sie wissen genausogut wie ich, daß sich die völkerrechtliche Verpflichtung Österreichs, keine Atomwaffen zu besitzen, zu stationieren und so weiter, auf eigene Atomwaffen bezieht. Ich hoffe wirklich, daß diesbezüglich Konsens vorliegt, nämlich daß wir in Österreich keine eigenen Atomwaffen herstellen, irgendwo stationieren und damit andere bedrohen.

Die eigentliche Frage, vor der wir stehen und die Ihrem Koalitionspartner sehr am Herzen liegt, ist die NATO – es geht nicht um österreichische Atomwaffen –, und dazu vermisse ich ein klares Wort Ihrerseits. Es ist ja bereits so, daß auf dem Truppenübungsplatz Allentsteig fremde Armeen üben.

Die kernwaffenfreie Zone ist Realität, daher frage ich Sie: Wollen wir sie nicht absichern? – Sie sprechen nur von der Beistandspflicht im Krisenfall. Aber ich nehme an, daß wir in Österreich auf gar keinen Fall irgendwelche Atomwaffen haben wollen! (Beifall bei den Grünen.)

Auch in Beantwortung der Frage 1 haben Sie politisch, rhetorisch elegant gesagt – aber die Gretchenfrage von Ihnen und Ihrem Koalitionspartner betrifft ja die Stationierung und den Transit von Atomwaffen –: Verhandlungen sind im Gange. – Es wäre schon interessant zu wissen, wie diese Verhandlungen vorangehen und wann sie zu einem Ergebnis kommen werden.

Ich komme zum Schluß. Herr Bundeskanzler! Nationaler Konsens bedeutet nicht das Einschwören auf rhetorische Floskeln. Selbstverständlich sind alle hier in diesem Hause und alle Österreicherinnen und Österreicher gegen Krieg, Gewalt, Umweltzerstörung und Ausbeutung. Aber ich frage Sie als Regierungschef: Was heißt das im konkreten Fall? Was heißt Friedenssicherung? Frieden durch Waffen? – Das ist nämlich in den NATO- und WEU-Strategien enthalten.


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