Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 116. Sitzung / 34

10.03Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine beiden Herren Minister! Meine Damen und Herren! Ich möchte meinen Beitrag mit einem Zitat eines Philosophen beginnen, und zwar deshalb, weil ich meine, daß es zuwenig wäre, in einer Debatte wie dieser sich ausschließlich auf die naturwissenschaftlichen und hier konkret anstehenden legistischen Aspekte zu konzentrieren. Ich möchte dieses Zitat vor allem meinem Vorredner, Herrn Abgeordneten Gradwohl, aber auch allen anderen Abgeordneten, vor allem jenen der Sozialdemokratischen Partei, widmen, die ihre ursprüngliche Programmatik vielleicht doch ein bißchen in diese Richtung ausgerichtet hatten. Ich möchte aus der "Dialektik der Aufklärung" von Adorno zitieren. Eines seiner wesentlichen Zitate war und ist:

"Seit je hat Aufklärung im umfassendsten Sinn fortschreitenden Denkens das Ziel verfolgt, von den Menschen die Furcht zu nehmen und sie als Herren einzusetzen, aber die vollends aufgeklärte Erde strahlt im Zeichen triumphalen Unheils."

Adorno hat das damals unter dem Eindruck der Faschisten und des Nationalsozialismus geschrieben, aber es hat auch heute - und gerade wenn wir über eine Risikotechnologie reden - nach wie vor Aktualität. Es kann sich nämlich dann etwas umkehren, wenn eine Methodik, eine Idee oder, so wie hier, eine Technologie nur mehr unter dem Aspekt der Nützlichkeit, des Pragmatismus, der ausschließlich ökonomischen Kriterien einer kleinen Elite betrachtet wird.

Eine Technologie, die es ermöglicht - und das erzeugt ja all die Emotionen im Zusammenhang mit der Gentechnik -, daß sich Menschen endgültig zum Schöpfer über wirklich alles gebärden können, wo es nicht nur mehr darum geht, neue Pflanzenarten, neue Tierarten zu kreieren, sondern wo es natürlich in letzter Konsequenz auch darum geht, bedarfsorientiert Menschen zu erzeugen, eine solche Technologie durchbricht alle Tabus. Und das ist der wesentliche Grund, weshalb bei der Debatte rund um die Gentechnik so viele Ängste, berechtigte Emotionen zum Vorschein kommen und soviel konkrete Kritik vorgebracht wird.

Wir haben diese Fragen in diesem umfassenden Sinn in diesem Haus diskutiert, nämlich in den Jahren 1991 und 1992. Da gab es eine Enquete-Kommission, die sich rund ein Jahr sehr umfassend und sehr grundsätzlich mit den Gefahren, mit den Risiken, aber auch mit den Chancen der Gentechnologie auseinandergesetzt hat. Es wurde damals ein Fünfparteienantrag, ein Enquete-Kommissions-Bericht beschlossen, der genau diese Aspekte enthalten hat. Und auch damals schon wurde klargestellt, daß die Grünen und viele Umweltschützer in diesem Land sehr klar den Einsatz der Gentechnik im Bereich der Medizin, im Bereich der Forschung von der konkreten Anwendung im Bereich der Landwirtschaft, im Bereich der Lebensmittelproduktion und -erzeugung unterscheiden.

Kurz nach der Annahme des Fünfparteienantrages in diesem Haus und nach dem Beschluß eines, wie ich meine, sehr guten Enquete-Kommissions-Berichtes hat der damalige Gesundheitsminister Ausserwinkler einen Gesetzesvorschlag vorgelegt, der nichts mehr mit dem in der Enquete-Kommission Diskutierten zu tun hatte. Dieser Gesetzesvorschlag war ausschließlich von kurzfristigen ökonomischen Interessen einer sehr kleinen Industrie in diesem Land geprägt, nämlich der Gentechnikindustrie, die aber unglaubliche Kontakte hat, bis hinauf in höchste Regierungsstellen. Vertreter dieser Gentechnikindustrie sind ja auch jetzt für die ÖVP ad personam im Ausschuß gesessen. Da geht es natürlich um viel Geld, um sehr kurzfristige Dividenden. Diese Interessen haben sich damals zu 100 Prozent durchgesetzt.

1994, als das Gentechnikgesetz in diesem Haus mit der Regierungsmehrheit beschlossen wurde, hat die Opposition Ihnen sehr klar gesagt, was passieren wird: Es wird zu einer Eskalation bei diesem Thema kommen. Wenn Sie nicht bereit sind, hat man 1994 gesagt, die Ängste, die Sorgen, die konkreten Anliegen - auch von vielen Wissenschaftlern - zu berücksichtigen, und ein ausschließlich der Industrie dienendes, und zwar nur einem ganz kleinen Sektor in der Industrie dienendes Gesetz beschließen, dann wird es zu unglaublichen Konflikten in diesem Land rund um dieses Thema kommen.


Vorherige SeiteNächste Seite
Seite 1