Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 116. Sitzung / 35

Es ist genau das eingetreten, was wir damals, 1994, bei dieser Debatte prognostiziert haben. Lesen Sie sich die Debattenbeiträge dieser damaligen Parlamentsdebatte durch! Was wurde kritisiert? - Es wurden die mangelnde Transparenz und Öffentlichkeit in diesem Gesetz von 1994 kritisiert. Es wurde kritisiert, daß wissenschaftliche Ausschüsse ausschließlich mit Gentechnikbefürwortern besetzt werden, daß es bei Anträgen auf Freisetzungen und Freisetzungsversuchen überhaupt keine Parteienstellung für die Menschen gibt, daß bei den öffentlichen Anhörungen überhaupt nur die Interessen der Betreiber gelten und alle anderen zwar angehört, aber überhaupt nicht berücksichtigt werden müssen.

Es gab eine Reihe von konkreten Argumenten, und es gab die Prognose: Wenn Sie diese Ängste nicht berücksichtigen, dann wird es bei konkreten Freisetzungsanträgen zu enormen Konflikten kommen. - Genau das ist eingetreten! Die Industrie hat sich ja damals selbst ins Knie geschossen. Wenn die Regierung damals tatsächlich wollte, daß sich die Gentechnologie in diesem Land entwickelt, dann hat sie genau das Gegenteil damit bewirkt: Bis heute gibt es in diesem Land keinen Freisetzungsantrag, der bewilligt wurde - Gott sei Dank. Aber der Grund dafür liegt nicht darin, daß die Umweltschützer in den letzten Monaten soviel Lobbyarbeit geleistet haben, sondern der Grund dafür liegt schon in der Beschlußfassung von 1994. Sie hätten wissen sollen, daß dieses Gesetz alle provozieren wird, möglicherweise selbst jene, die dieser Technik nicht zu 100 Prozent kritisch gegenüberstehen.

Sie haben gesehen, was nach dieser Beschlußfassung passiert ist: Es ist ein Volksbegehren initiiert worden, das von einer breiten Plattform getragen wurde: von katholischen Initiativen, Biobauern-Initiativen und verschiedenen Umweltorganisationen, und dieses Volksbegehren war das erfolgreichste überparteiliche Volksbegehren in der Geschichte dieser Republik. Und jetzt stellt sich Frau Rauch-Kallat hier ans Rednerpult und sagt: Die Bedenken dieser 1,27 Millionen Unterzeichnerinnen und Unterzeichner würden doch ernst genommen. Die Anliegen der Proponenten wurden erfüllt - obwohl diese seit Wochen das Gegenteil behaupten. Frau Rauch-Kallat ignoriert das, sie sagt immer noch, die Anliegen der Proponenten würden ernst genommen und erfüllt. Und demokratiepolitisch wurde angeblich gezeigt, daß dieses Haus mit Volksbegehren umzugehen weiß.

Ja wenn Sie, meine Damen und Herren, damit meinen, daß man Volksbegehren in einen Ausschuß verweist, eine Debatte abführt, die man durchführen muß, weil das die Geschäftsordnung halt so vorschreibt, aber über die tatsächlichen Gesetzesänderungen nach wie vor im Hinterzimmer diskutiert wird - die werden von den Gentechniklobbyisten alleine geschrieben, darüber dürfen nicht einmal die Oppositionsabgeordneten vorher Informationen bekommen -, und wenn Sie eine solche Vorgangsweise als demokratiepolitisch redlich und als einen Fortschritt im Vergleich zu 1994 bezeichnen, dann muß ich Ihnen wirklich sagen: Wir haben eine grundsätzlich unterschiedliche Auffassung von demokratischer Auseinandersetzung und von Parlamentarismus. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.) Das ist nicht die Vorgangsweise, die wir uns vorstellen, wie man mit Sorgen von 1,27 Millionen Menschen umgeht.

Sie haben natürlich formal die Proponenten in den Ausschuß eingeladen. Sie konnten dort reden, sie konnten dort ihre Anliegen vorbringen. Doch was wurde dort wirklich gemacht? - Es haben Experten gesprochen, das war hochinteressant, und das Ganze könnte man zusammenfassen und in einem Band über unterschiedliche Ansichten zu verschiedenen Themenbereichen publizieren. (Abg. Rauch-Kallat: Das ist Demokratie!) Das ist Demokratie, Frau Abgeordnete, genau, Sie verstehen das unter Demokratie: Man darf hinkommen, man darf die Hand heben, man darf ein bisserl was sagen, dem zwar wenig zugehört wird - aber die wirklichen Vorhaben, die wirklichen Entscheidungen werden nicht im Ausschuß diskutiert.

Sie haben uns damals den eigentlichen Gesetzesantrag eine Stunde vor der letzten Ausschußsitzung übermittelt. Wir können ja noch froh darüber sein, daß Sie ihn uns nicht unmittelbar im Ausschuß gegeben haben. Sie haben nie mit uns substantiell - weder mit den Oppositionsparteien noch mit den Initiatoren des Volksbegehrens - die konkreten Gesetzesänderungen durchdiskutiert, das wollten Sie auch gar nicht. (Abg. Tichy-Schreder: Sie aber auch nicht!) Die hat Herr Dr. Zacherl für Sie geschrieben und andere Gentechnikexperten und


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