Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 116. Sitzung / 68

an mit dabei waren. Es hat mich der Eklat von vorhin dazu bewogen, ein bißchen Rückschau zu halten. Ich war, glaube ich, von meiner Fraktion die einzige, die von Anfang an mitgearbeitet hat, sei es beim IVF-Gesetz, sei es in der Gentechnik-Enquete-Kommission "Technikfolgenabschätzung am Beispiel der Gentechnologie" im Jahre 1992 und auch dann bei der Werdung des Gentechnikgesetzes im Jahre 1994 gewesen.

Lassen Sie mich nun auf die Enquete-Kommission zu sprechen kommen. Für mich als Parlamentarierin war damals die spannendste Zeit hier in diesem Hohen Haus überhaupt, denn es gab, obwohl ich mich mit dieser Materie seit 1986 eingehend beschäftigt habe, keine Sitzung, in der nicht eine ganze Fülle von Neuem auf mich eingeströmt ist. Extrem kontroversielle Diskussionen wurden da geführt, aber auf hohem Niveau, meine Damen und Herren; das ist heute leider etwas anders. Auch auf Expertenseite wurde kontroversiell bis zum Geht-nicht-Mehr argumentiert, aber jede einzelne Meinung wurde äußerst ernst genommen, und es darf als Sternstunde bezeichnet werden, daß damals alle vier Parteien - das waren zu dieser Zeit alle hier im Hohen Haus vertretenen Parteien - Konsens zu einem gemeinsamen Bericht gefunden haben.

Damals war aber auch die Gentechnikanwendung im Gesundheitswesen noch wesentlich umstrittener. Doch hätten wir damals nachgegeben, hätten wir damals mit Scheuklappen gearbeitet, wo wären wir im Gesundheitswesen, in der Prävention, bei Impfungen heute?

Warum aber waren wir damals so erfolgreich? - Es gab den Willen zu konstruktiver Zusammenarbeit, zur Sachlichkeit und vor allen Dingen die Akzeptanz gegenteiliger Meinungen. Schon damals wurde erkannt, daß Gentechnik in wenigen Jahren oder Jahrzehnten das zu erzielen vermag, wozu die Evolution oder andere Methoden Jahrhunderte und länger brauchen würden. Technikfolgen abschätzen, beabsichtigte und unbeabsichtigte Auswirkungen analysieren, auf längerfristige Auswirkungen Bedacht nehmen und Maßstäbe für die Bewertung formulieren: Das waren damals unsere Aufgaben! Technikfeindlichkeit und Technikeuphorie sind einander gegenübergestanden. Es galt, die Chancen dieser neuen Technologie zu heben und ihre Risken zu minimieren.

Damals waren zirka 200 gesetzliche Regelungen - ein wahres Wirrwarr - für die Bereiche der Gentechnik zuständig, aber es gab nichts Konkretes zur Freisetzungsfrage, nichts Konkretes zu den Haftungsproblemen, aber die Kommission hat schon damals den Gefährdungshaftungstatbestand gefordert. Die einhellige Meinung, ein Gentechnikgesetz wäre unverzichtbar, wurde in allen Fraktionen vertreten, und es wurde, meine Damen und Herren, ein gutes Gesetz. Lediglich in der Frage der Haftung haben wir uns damals beschwichtigen lassen. Man hat uns auf das UVP-Gesetz vertröstet. Wir würden bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag warten, wenn wir heute nicht die Haftungsregelung in das Gentechnikgesetz einbeziehen würden.

Schon in der Enquete-Kommission gab es Einigkeit darüber, daß bezüglich Freisetzungen die Rückholbarkeit nicht als absolute Rückholbarkeit verstanden werden kann, denn null Risiko und null Emission zu verlangen, würde heißen, sich von der Gentechnik endgültig zu verabschieden.

Meine Damen und Herren! Dem Bericht aus dem Jahre 1992 ist auch zu entnehmen, daß Einvernehmen darüber geherrscht hat, Österreich als Standort für gentechnische Arbeiten und Anwendungen, das heißt für Forschung, Entwicklung und Produktion, nicht nur zu sichern, sondern zu stärken. Sowohl mit dem Bericht als auch dem Gentechnikgesetz konnten Wissenschaft und Forschung, Gegner und Skeptiker und Befürworter gleichermaßen leben - freilich erst nach langer und mühsamer Überzeugungsarbeit!

Die rasante Entwicklung dieser neuen Technologien wird aber permanent - ich betone: permanent! - Anpassungsschritte erforderlich machen. Ich selbst war in Fragen der Gentechnik nie bei den Eiferern, eher immer skeptisch, aber nicht uneinsichtig, wenn Argumente gegriffen haben. Ich habe viel Zeit in Information investiert. Ich habe Information immer als Holschuld angesehen.

Mehrmals wurde hier heute schon auf die unterschiedlichen Sichtweisen bezüglich des medizinischen und des Lebensmittelbereiches hingewiesen; ich habe das in manchen meiner früheren Reden auch schon gemacht. Die Medizin sollte nicht nur zur Krankheitsbekämpfung, sondern


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