Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 116. Sitzung / 105

Vertiefung der GASP im Rahmen der EU-Mitgliedschaft, Teilnahme an sogenannten ,Petersberg-Missionen' und der ,Partnerschaft für den Frieden' der NATO vorsieht. Dies bedeutet in der Praxis die Übernahme einer Vielzahl an politischen und militärischen Verpflichtungen, wie etwa die Bereitschaft zu ,Kampfeinsätzen' im Ausland und die Übernahme steigender Kosten für diese Maßnahmen, aber keinerlei unmittelbaren Sicherheitsgewinn für Österreich durch den Schutz eines Bündnisses. Mit kurzen Worten: ,viele Pflichten, wenig Rechte'.

Ein Beitritt zur NATO wird vor allem vom Moskau-Flügel der SPÖ (Fischer, Kostelka u. a.) damit abgetan, daß dieser Schritt keinerlei Sicherheitsgewinn für Österreich bedeuten würde. Die Argumente dafür sind mehr als schwach:

durch UNO, EU und OSZE-Mitgliedschaft wären wir vollständig integriert und wirken am Aufbau eines europäischen Sicherheitssystems mit;

die NATO sei ein Militärbündnis und somit ein Instrument des ,Kalten Krieges, das über keinerlei Konfliktpräventionsmechanismen verfügt;

bei einem NATO-Beitritt würden fremde Soldaten in Österreich stationiert;

die Kosten für die Landesverteidigung würden in der NATO sprunghaft ansteigen;

Österreich müßte als NATO-Mitglied bei bewaffneten Konflikten Soldaten abstellen und

ein Beitritt sei daher mit der Neutralität nicht vereinbar.

Vergessen oder verschwiegen wird dabei, daß:

die Entwicklung eines europäischen Sicherheitssystems durch die EU vorerst noch in weiter Ferne ist;

weder EU und WEU noch UNO oder KSZE ohne militärische Elemente der NATO in der Lage sind, die militärischen Sicherheitsprobleme Europas zu lösen;

die NATO - als einzige funktionierende kollektive Verteidigungsorganisation, die sich immer mehr zu einer umfassenden Sicherheitsarchitektur wandelt - der Garant für Stabilität und Frieden in Europa ist, wie die Beispiele der jüngsten Vergangenheit und die Vertragsinhalte (SFOR-Einsatz für die VN, PfP, Grundlagenvertrag mit Rußland etc. ...) zeigen;

Österreich bereits heute an militärischen Aktivitäten im Rahmen der NATO im Ausland teilnimmt und sich in Zukunft sogar an Kampfeinsätzen beteiligen will (CENCOOP-Brigade);

die Verteidigungsausgaben eines neutralen Kleinstaat doppelt so hoch sein müßten, wie die Beispiele der Schweiz, Schwedens und Finnlands in der Vergangenheit gezeigt haben und

die Notwendigkeit zur Beibehaltung der Neutralität klar verneint werden kann und beginnend mit dem Beitritt zur UNO und seit der EU-Mitgliedschaft (damit verbundene Änderungen der Bundesverfassung) diese de facto auch nicht mehr existent ist.

Aber auch die ÖVP hat in dieser Frage keine klare Linie. Während Verteidigungsminister Fasslabend bis zum Juni 1997 noch für eine Entscheidung über die NATO im laufenden Jahr eintrat, kündigte er im Oktober deren Verschiebung auf den Herbst 1999 an (,Kurier', 2. Oktober 1997). Auch wenn sich daraus seiner Ansicht nach ,gravierende Nachteile' für Österreich ergeben würden. Vizekanzler Schüssel, der für seine ,pointierten' außenpolitischen Betrachtungen - vor allem bei Frühstücken - bekannt ist, legte sich im Laufe des Jahres auf insgesamt fünf verschiedene Zeitpunkte für die Entscheidung fest und war sich nicht immer ganz sicher, ob er für oder gegen einen Beitritt sein soll und wenn ja: was dies für die Neutralität bedeuten würde. Vor allem aber die ÖVP-LH im Westen Österreichs sind nicht auf Parteilinie zu bringen und halten im Gegensatz zum Parteiobmann, der Österreichs Stellung in der EU ohne NATO-Beitritt gefährdet sah (,Presse', 2. Mai 1997), die NATO für ein Konzept, das auf Feindbildern aufbaut (Weingartner, 19. August 1996). Die Entwicklungen rund um den Optionenbericht haben gezeigt, daß es der ÖVP mit einem NATO-Beitritt eigentlich nicht wirklich ernst ist.


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