Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 116. Sitzung / 106

NATO-Mitgliedschaft

Der NATO-Beitritt Österreichs wird und wurde aber nicht nur von verschiedenen österreichischen Politikern und Experten befürwortet - auch vom Herrn Bundespräsidenten Klestil, als Oberbefehlshaber des Bundesheeres und Vertreter der Republik Österreich nach außen, und dem Generaltruppeninspektor Majcen -, sondern auch von vielen europäischen Sicherheitspolitikern (NATO Generalsekretär Solana) als jederzeit denkbare und sinnvolle Option bezeichnet.

Die NATO selbst entwickelt sich immer mehr zu einem umfassenden Sicherheitssystem. Neben dem reinen militärischen Verteidigungsauftrag hat sie eine immer stärkere Rolle als Akteur der Krisenprävention und des Krisenmanagements, im Rahmen von UNO-Einsätzen, wie zum Beispiel in Ex-Jugoslawien. Nur als Vollmitglied kann sich Österreich an dieser Entwicklung beteiligen und an den Entscheidungsprozessen bei Einsätzen mitwirken.

Entgegen den sich nunmehr abzeichnenden Intentionen der Regierungsparteien im Rahmen der sogenannten ,erweiterten Partnerschaft für den Frieden' (PfP-plus), die als Warteraum und Vorbereitungsorgan für beitrittswillige Mittel- und Osteuropastaaten gedacht ist, das sicherheitspolitische Auslangen für die nächsten Jahre zu finden, wäre daher der Vollbeitritt Österreichs zur NATO anzustreben. Vor allem, weil diese neue Form der Partnerschaft nur Verpflichtungen (Fähigkeit und Bereitschaft zur Führung von Kampfeinsätzen bei Krisen) ohne Schutz des Bündnisses durch die Beistandsgarantie (Artikel 5) bringt.

WEU-Beitritt ist ohne NATO-Mitgliedschaft nicht möglich

Die von der Regierung im Koalitionsübereinkommen vorgesehene Prüfung eines WEU-Beitrittes erscheint sowohl im Hinblick auf die Ziele der EU-Konferenz 1996 als auch auf die österreichischen Sicherheitsinteressen als nicht ausreichend und kommt wie immer zu spät. Eine alleinige WEU-Mitgliedschaft Österreichs ohne gleichzeitigen Beitritt zur NATO wird auch, wie zahlreiche Experten in der parlamentarischen Enquete ,Perspektiven der europäischen Sicherheitsstruktur und die Rolle Österreichs' eindeutig dargelegt haben, nicht möglich sein. Österreich ist daher im Interesse seiner Sicherheit und entsprechend den Zielen seiner europäischen Positionierung gefordert rasch zu handeln.

Die Regierung hat hier, wie im Falle der NATO, darauf nur insofern reagiert, als sie die Verpflichtungen der ,Petersberger Missionen', die auch Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung vorsehen, bereit ist zu übernehmen. Sie hat dies durch die österreichische Grundsatzposition für die Regierungskonferenz (1996) und durch die Zustimmung zum Artikel J.7, der eine Weiterentwicklung der GASP unter Einbeziehung der WEU vorsieht, im Vertrag von Amsterdam manifestiert. Hiermit wurden wieder Pflichten übernommen, ohne einen unmittelbaren Sicherheitsgewinn - durch die starke Beistandsgarantie des Artikel 5 der WEU - zu erzielen.

Die Neutralität ist obsolet (und teuer)

Auch wenn viele Anhänger einer sicherheitspolitischen Isolation Österreichs oder einer Orientierung an den Interessen Moskaus noch immer am Relikt des ,Kalten Krieges' - Neutralität - festhalten wollen, so ist dieses dennoch mehr als überholt. Sowohl internationale wie nationale Experten und Politiker bescheinigen ihr zwar eine Rolle während der Zeit des Ost-West-Konfliktes, für die Fragen von morgen hat sie aber keinerlei sicherheitspolitische Relevanz. Selbst in der EU ist ein Sonderstatus für Neutrale weder möglich noch gewünscht (Hänsch, ,Kurier' vom 18. März 1996), wie die Verhandlungen im Zusammenhang mit dem österreichischen Beitritt und das Ergebnis der Regierungskonferenz von Amsterdam gezeigt haben. Darüber hinaus bedeutet ernstgenommene Neutralität aber nicht nur politische Isolation, sondern auch vermehrte Verteidigungsausgaben, die weit über dem österreichischen Standard beziehungsweise auf oder über dem Durchschnitt vergleichbarer NATO-Mitgliedstaaten liegen, wie die Beispiele Schweiz, Schweden und Finnland einerseits sowie Belgien und Dänemark andererseits klar darstellen.

Ehrliche Information der Bürger wäre notwendig


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