Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 116. Sitzung / 107

Die österreichische Bundesregierung ist daher nicht nur gut beraten, sich rasch von Konzepten der Vergangenheit zu trennen, sondern auch an der Entwicklung in Europa vollberechtigt mitzuwirken. Es wäre ihre Pflicht, den Bürgern mitzuteilen, daß wir zwar als ,Neutraler' in die Europäische Union gegangen sind, aber dort höchstens als ,Bündnisfreier' angekommen sind. Eine Tatsache, die die Regierungen Schwedens und Finnlands gelassen aussprechen.

Es wäre aber auch dringend an der Zeit, die Bürger über den wahren Status Österreichs in Fragen der Sicherheitspolitik aufzuklären. Vor allem deshalb, da dieser ,schleichend' und unter Umgehung des Parlaments eingenommen wurde.

Durch den Abschluß des Rahmenübereinkommens mit der NATO (PfP) ohne Staatsvertrag im Sinne des Art. 50 B-VG und den sich aus der Vollziehung dieses Abkommens ergebenden notwendigen Maßnahmen, wie der Übernahme des Truppenstatuts der NATO (SOFA), wurden und werden Schritte gesetzt, die mit der Neutralität nach ,Schweizer Muster', wie sie für Österreich zumindest formell noch immer verbindlich ist, nicht vereinbar sind. Die Anfragesteller vertreten zwar keinesfalls den Standpunkt, daß Österreich zum Status der Neutralität zurückkehren sollte, sie halten aber die objektive Information der Staatsbürger und eine verfassungskonforme Vorgangsweise für dringend geboten.

Dies bedeutet, daß die Regierung von ihrer Politik der ,Verschleierung und Verschweigung' sowie der ,ungesetzlichen' Maßnahmen und Schritte ohne Einbindung des Parlaments und der Bevölkerung abzugehen und rasch die nötigen Entscheidungsgrundlagen für die anstehenden Probleme vorzulegen hat. Ansonsten wird neben der Lächerlichkeit (APA 351, 17. Februar 1997), der sich Österreich seit mehreren Jahren in Fragen der Sicherheitspolitik aussetzt, ein verfassungswidriger Weg beschritten. Weiters wird dadurch die Bevölkerung in einem derart hohen Maß verunsichert, daß dies letztlich zu einer völligen Ablehnung der notwendigen Maßnahmen führen könnte.

Diese Verunsicherung und die mangelnde sicherheitspolitische Positionierung tragen aber auch dazu bei, daß Österreich seine eigene Verteidigungsfähigkeit in zweierlei Art massiv vernachlässigt. So gibt es derzeit keinen Schutz durch das Bündnis, es wurden aber auch die eigenen Streitkräfte nicht auf jenen Standard gebracht, der aufgrund der aktuellen Bedrohungsszenarien beziehungsweise der laufenden und zukünftigen Einsatzspektren notwendig wäre.

Obwohl die Aufgaben des Heeres immer umfangreicher und auch gefährlicher werden, wird das LV-Budget immer geringer. Daraus ergeben sich zwangsweise Probleme für die Truppe in personeller wie materieller Hinsicht.

Der Optionenbericht der österreichischen Sicherheitspolitik

Die Bundesregierung hat sich in ihrem Koalitionsabkommen vorerst aber nur auf die aktive Teilnahme an der PfP geeinigt, beim gemeinsame Optionenbericht ist sie gescheitert. Selbst die Erklärung (in letzter Minute) zur Chefsache nutzte nichts, und der Bundespräsident mahnte daher zur Einigkeit. Die Ergebnisse der Experten in der interministeriellen Arbeitsgruppe wurden am Höhepunkt als ÖVP-Sicherheitsbericht von Fasslabend und Schüssel medienwirksam vorgestellt und sollen nunmehr parlamentarisch eingebracht werden. Geht es aber nach der ÖVP, so soll dieser selbständige Antrag aber nicht diskutiert und abgestimmt werden, sondern nur eine koalitionäre Überzeugungshilfe sein.

Österreich ist daher im Interesse seiner Sicherheit und entsprechend den Zielen seiner europäischen Positionierung gefordert, rasch zu handeln, will es während seines EU-Vorsitzes im zweiten Halbjahr 1998 nicht zum ,sicherheitspolitischen Geisterfahrer' werden. Da aber eine so weit greifende Entscheidung wie der NATO-Beitritt eine Vielzahl von Verhandlungen und innerstaatlichen Vorbereitungen bedarf, sind die ersten Schritte daher sofort zu setzen.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten daher an den Herrn Bundeskanzler folgenden


Vorherige SeiteNächste Seite
Seite 1