Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 116. Sitzung / 127

an den Außenminister und auch an den Bundeskanzler ventiliert haben, daß sich nämlich beide im Rahmen von internationalen Organisationen, internationalen Gremien zur Schaffung von atomwaffenfreien Zonen dafür stark machen sollen.

Diese atomwaffenfreien Zonen sind Voraussetzung für die weißen Zonen. Es macht auch durchaus Sinn, daß diese weißen Zonen von militärisch sehr verdichteten Gebieten umgeben sind - um das einmal so auszudrücken -, in denen sehr viel mehr an militärischem Potential vorhanden ist.

Aber damit komme ich bereits zu einem Punkt, der heute hier vor allem vom Antragsteller Scheibner vertreten und dann noch von Herrn Kollegen Moser verstärkt wurde. Und da frage ich mich manchmal - ich kenne das ja aus diversen Diskussionen -, ob ich mich hier in einer Märchenstunde befinde oder ob das alles vielleicht im Bereich der Legenden und Sagen liegt. Da wird nämlich so getan, als ob wir gar nicht mehr über Atomwaffenstationierungen sprechen müßten, als ob das ad acta gelegt und vorbei wäre, als ob es keine bodengestützten Atomwaffen oder keine atomare Abschreckung mehr gäbe - und so weiter -, als ob das alles nicht stimmen würde. Dabei wissen Sie sehr genau darüber Bescheid, Herr Kollege Scheibner! (Abg. Scheibner: In Rußland gibt es das noch!)

Fangen wir einmal bei der Stationierung von Atomwaffen in Österreich und auch in den anderen Ländern, die jetzt der NATO beitreten möchten, an. Es gibt keine völkerrechtlich verbindliche Erklärung der NATO, daß es zu keiner Stationierung von Atomwaffen kommen wird. Es wird auch keine völkerrechtlich verbindliche Erklärung geben, weil die NATO ausdrücklich sagt, daß es in Krisenfällen nicht ausgeschlossen werden kann, daß es zur Stationierung und Durchfuhr von Atomwaffen und natürlich in der Folge auch zur Anwendung von Atomwaffen kommen kann und kommen wird.

Zum zweiten Punkt. Sowohl die NATO als auch die Westeuropäische Union haben nach wie vor die nukleare Abschreckung in ihrem Programm, in ihren Zielen, enthalten. Die Frage, Herr Kollege Moser, was ein Erstschlag ist oder wer den Erstschlag setzt, ist eher eine semantische als eine tatsächlich politische Frage. Ich kann mir nicht vorstellen - und die NATO kann sich das selbst auch nicht vorstellen -, daß die NATO ein derartiges Potential an Atomwaffen schafft, nur um dann abzuwarten, bis sie zuerst angegriffen wird. Inzwischen erübrigt sich diese Frage ja insoferne, als niemand sagen kann, wer denn die NATO überhaupt angreifen würde, weil sich ja, wie wir wissen, die geopolitische Situation verändert hat - und das nicht nur in Europa. (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) - Die Angriffsmöglichkeiten sind nicht mehr im früheren Ausmaß gegeben. Wir wissen zum Beispiel, daß es gegenüber Rußland eine Vorwarnzeit von fünf bis zehn Jahren gibt - das muß man natürlich in Betracht ziehen -, und auch, daß es nicht mehr die Situation wie zu Zeiten des kalten Krieges gibt.

Dritter Punkt, was Atomwaffen betrifft. Wenn all dem so ist, dann frage ich mich: Warum hat die Bundesregierung diese Obsoleterklärung abgegeben, übrigens ohne das Parlament zu befragen, geschweige denn das Volk? - Sie hat im Jahre 1990 gegenüber den Signatarstaaten erklärt, daß jener Passus im Staatsvertrag, der das Verbot von Atomwaffen geregelt hat, obsolet, außer Kraft gesetzt ist. Warum hat denn die Bundesregierung das getan, wenn nicht als Vorbereitung auf einen Beitritt zur NATO oder zur WEU? Warum denn sonst?! Welchen Sinn hätte es gehabt, diese Obsoleterklärung abzugeben? - Das müssen Sie mir einmal erklären, wenn Sie mir hier weismachen wollen, daß die Frage der Atomwaffen nur mehr "Schnee von gestern" ist. Dann hätten wir uns das ersparen können und wären jetzt ein ganzes Stück weiter.

In einem Punkt gebe ich Ihnen ja recht: daß nämlich schon viele Dinge geschehen sind, die den Staatsvertrag und die Verfassung eigentlich schon längst außer Kraft gesetzt haben. Und im übrigen: Mit der Unterstützung der "Petersberger Erklärung" von 1992 hat Österreich alle Erklärungen seit dem Jahre 1984 zustimmend zur Kenntnis genommen, darunter interessanterweise auch die "Haager Plattform" von 1987. Diese "Haager Plattform" regelt nämlich den Einsatz von nuklearen Waffen bei der Verteidigung Europas. Das wurde zustimmend zur Kenntnis genommen. Sie können nicht hier zum Rednerpult gehen und uns erzählen, daß das alles keine Rolle mehr spielt, denn wenn das so wäre, dann hätten wir uns das alles ja wohl ersparen können,


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