Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 119. Sitzung / 23

dringend brauchen, die wir ermöglichen sollten. Es gibt also jede Menge Arbeit, nur ist es keine entgeltliche Arbeit, nur ist es keine Arbeit, die im vordergründigen wirtschaftlichen Prozeß, den wir am Nationalprodukt messen, enthalten ist.

Das heißt, in einem nationalen Beschäftigungsplan sollte darüber nachgedacht werden, wie ein neuer Gesellschaftsvertrag ausschauen soll, der den Menschen, die heute mit ziemlicher Sicherheit in dieser komplexen, immer schneller werdenden, immer produktiver werdenden Welt keine Arbeit finden, eine soziale Grundsicherung gibt, damit sie jene Arbeit verrichten, die gesellschaftlich notwendig ist - sei es zum Beispiel im Bereich der Landwirtschaft, sei es im Bereich der Altenhilfe, sei es im Bereich der Kindererziehung, sei es im Bereich der Weiterbildung, sei es im Bereich von sozialer Arbeit außerhalb der Institutionen, die es gibt.

Das Verständnis dafür, daß der Ausfall an Beschäftigung nicht mehr ersetzt werden kann, sondern daß es neue Bereiche der Beschäftigung geben wird, die im ökonomischen Sinn, wie wir es von der klassischen volkswirtschaftlichen Theorie her kennen, nicht meßbar sind, fehlt mir in diesem nationalen Beschäftigungsplan völlig.

Die zweite Säule will den Unternehmergeist entwickeln. Ich finde es schön, daß die Sozialdemokraten am 1. Mai in Wien am Rathausplatz große Schilder angebracht hatten, auf denen stand: "Mehr Unternehmer für Wien". Das wird auch Herrn Präsidenten Maderthaner gefreut haben. Aber was haben Sie dafür getan? Was haben Sie getan, außer schöne Worte zu sprechen, um dafür zu werben, daß es sich lohnt, Unternehmer zu werden, daß es für einen jungen Menschen attraktiv ist, Unternehmer zu werden? Haben Sie die sozialen Ungleichgewichte, die steuerlichen Ungleichgewichte beseitigt? Haben Sie die gewerberechtlichen Fragen geklärt, daß es möglich ist und sich lohnt, Unternehmer zu werden? Wieso soll jemand, der gut verdient, nämlich 30 000 S oder 40 000 S brutto, und einen guten Job hat, ein Selbständiger werden? - Er kommt von der warmen Stube des sozialen Schutzes in die Traufe Ihrer Politik und ist dann noch dazu für alles in diesem Land zuständig.

Sie können doch nicht tatsächlich glauben, daß Sie mit nationalen Aktionsplänen und mit Papier Unternehmer schaffen! Wo sind denn Ihre Rahmenbedingungen - auch betreffend die soziale Absicherung der Unternehmer? - Sie stellen doch die Selbständigen überall schlechter. Merken Sie nicht, daß es heute gerade unter den Selbständigen, unter den kleinen Handelstreibenden, unter den kleinen Gewerbetreibenden eine völlig neue Armut gibt? - Und von dieser Armut wissend, haben Sie die Stirn, davon zu reden, daß Sie 40 000 oder 50 000 - je nachdem, ob das Schüssel oder Hostasch sagt, ist die Zahl verschieden - neue Selbständige schaffen wollen? Glauben Sie, daß Sie diese herbeibeten können?

Dritte Säule: Förderung der Anpassungsfähigkeit. Meine Damen und Herren! Wer behindert denn die Anpassungsfähigkeit in der Wirtschaft? (Abg. Dr. Puttinger: Die Liberalen!) - Also diesen Zwischenruf streichen wir, Puttinger! (Zwischenruf des Abg. Schwarzenberger.)

Herr Schwarzenberger! Ich weiß schon, du lebst in der landwirtschaftlichen Vergangenheit, aber ich erkläre es dir! Die Anpassungsfähigkeit der Wirtschaft hemmen Sie durch eine nach wie vor durchgängige Überreglementierung. Sie machen es lohnend, das zu tun, was Ziel der Politik ist, nämlich so wenige Mitarbeiter wie irgend möglich zu beschäftigen. Das ist die Wahrheit!

Der teuerste Produktionsfaktor, den wir haben, der überbesteuert ist, ist die menschliche Arbeit. Wir Unternehmer tun nichts anderes, als Ihren Rahmenbedingungen zu folgen. Wir schauen, wie wir diesen teuersten Produktionsfaktor Arbeit, von dem 70 Prozent aller Steuern abhängen, so weit wie möglich reduzieren können, um unser Kostenbild zu verbessern. Das ist das Problem, und das steht nicht im Nationalen Aktionsplan für Beschäftigung, weil Sie nicht von Kunden reden, sondern weil Sie immer noch glauben, an dem vorhandenen System "handwerklich herumschrauben" zu können.

Säule vier: Chancengleichheit. Mein Kompliment! Darin steht eine ganze Menge wichtiger Maßnahmen, um den Frauen - nach langem Reden - die Möglichkeit zu geben, im wirtschaftlichen Bereich ihre Selbstbestimmung zu finden. Die Probleme haben Sie im Nationalen Aktionsplan


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