Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 119. Sitzung / 32

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten gehen grundsätzlich davon aus, daß die Jugend unserer Republik ein Recht auf qualifizierte schulische und berufliche Ausbildung hat. Es ist daher Aufgabe der öffentlichen Hand und insbesondere Aufgabe des Unterrichtsressorts, die erforderlichen Ausbildungsangebote sicherzustellen. Sehr geehrte Frau Unterrichtsministerin! Ich kann es bis heute nicht verstehen und letztlich auch nicht akzeptieren, daß Sie damals, als es um die Verabschiedung des Nationalen Aktionsplanes ging, so lange verzögert haben. Ich meine, daß damit wertvolle Vorbereitungszeit verlorengegangen ist. Ich konnte auch Ihre dahin gehenden Aussagen, die berufliche und teilweise auch die schulische Ausbildung von Lehrlingen sei nicht unbedingt Ihre Aufgabe, nicht verstehen.

Ich darf seitens der SPÖ noch einmal festhalten, daß die Berufsfachschule neben vielen anderen Maßnahmen zur Bewältigung der Problematik der Lehrstellensuchenden die beste Lösung gewesen wäre. Das ist übrigens auch die Meinung, die der Rechnungshof vertritt. Viele Einwände und Bedenken, die Sie, Frau Bundesministerin, gegenüber der Berufsfachschule vorgebracht haben, lassen sich meines Erachtens relativ leicht entkräften. Die duale Ausbildung wurde seitens der SPÖ nie und nimmer in Frage gestellt. (Zwischenruf des Abg. Meisinger.) Es ging unserer Ansicht nach lediglich darum, zeitlich befristet ein freiwilliges Angebot für jene Jugendlichen anzubieten, die keinen Lehrplatz finden.

Das Arbeitsmarktservice hat aufgrund einer Umfrage aus dem Jahre 1997 bestätigt, daß 50 Prozent der damals lehrstellensuchenden Jugendlichen sehr wohl bereit gewesen wären, ein schulisches Angebot wie etwa die Berufsfachschule in Anspruch zu nehmen. Die Berufsfachschule würde auch keineswegs praxisfern aufgebaut sein, sondern würde mit zwei Dritteln Praxis in Werkstätten, Betrieben und Labors und einem Drittel Allgemeinbildung und betriebswirtschaftlichem Unterricht sehr wohl den Erfordernissen der beruflichen Ausbildung entsprechen. Auch die gesetzliche Umsetzung in den Schulgesetzen hätte nicht jenen großen Schritt bedeutet, den Sie befürchtet haben.

Wir begrüßen selbstverständlich trotzdem den erzielten Kompromiß - ich bezeichne ihn als zweitbeste Lösung - und hoffen, daß auf Expertenebene nun recht rasch die vereinbarten Maßnahmen getroffen werden. Es geht im besonderen darum, die Möglichkeit eines Hauptschulabschlusses nachzuholen. Es geht um die Notwendigkeit, das Repetierverbot an den berufsbildenden mittleren und höheren Schulen aufzuheben. Es geht um die Erhöhung der Behaltequote bei gleichzeitiger Berücksichtigung des hohen qualitativen Standards in diesem Schulwesen durch pädagogisch-didaktische Maßnahmen sowie durch eine konsequente Umsetzung neuer Lehr- und Lernformen, und es geht um das Angebot an Lehrgängen in Berufsschulen beziehungsweise in entsprechend ausgestatteten Schulen.

Diese Maßnahmen könnten unter Umständen folgendes bedeuten: Durch das Nachholen des Hauptschulabschlusses könnten etwa 1 000 Schülerinnen und Schüler in der Ausbildung behalten werden. Durch die Aufhebung des Repetierverbotes könnten rund 2 000 Jugendliche länger in schulischen Einrichtungen verbleiben. Auch die Erhöhung der Behaltequote kann laut Berechnungen etwa 2 000 Jugendlichen den Verbleib in der Schule ermöglichen.

Wenn wir weiters davon ausgehen, daß Lehrlingsstiftungen rund 1 500 Lehrlinge aufnehmen könnten und in Berufslehrgängen rund 2 500 Jugendliche untergebracht werden könnten, dann kämen wir auf insgesamt zirka 9 000 Jugendliche, die eine qualifizierte Ausbildung erhalten könnten beziehungsweise die Basis für weitere Ausbildungen erhielten.

Lassen Sie mich zum Schluß kommend noch darauf hinweisen, daß wir für die im Vorjahr beschlossene Berufsreifeprüfung Fördermaßnahmen brauchen werden. Wir wissen, daß die Kosten für die Vorbereitungslehrgänge für die Berufsreifeprüfung in Österreich bis zu 30 000 S pro Teilnehmer betragen. Wir Sozialdemokraten werden weiterhin massiv dafür eintreten, daß die Kursteilnehmer so wie AHS- und BHS-Maturanten diese Berufsreifeprüfung kostenfrei erlangen können. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Es wird uns nicht weiterhelfen, wenn von der einen oder von der anderen Seite der Nationale Aktionsplan zur Beschäftigung kritisiert wird. Was uns sehr wohl


Vorherige SeiteNächste Seite
Seite 1